Sendung 'Schwarzer Stern' von Kanal K vom 22. August 2017

Schlussbericht der Ombudsstelle

Sehr geehrter Herr X

Ihre Beanstandung vom 6. September 2017 habe ich erhalten und am 8. September 2017 die Programmleitung von Kanal K zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 21. September 2017 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.

Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angehört, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.

Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.

In Ihrer Beanstandung erachten Sie die Äusserungen in der Sendung Schwarzer Stern „hoch revoltierend und verhetzend gegen den Schweizer und Deutschen Staat“. Dem ungarischen Staat werde ohne Quellenangabe Folter vorgeworfen, was natürlich in jedem EU-Land verboten ist.

Der Stellungnahme des Programmleiters ist Folgendes zu entnehmen:

„Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die „Schwarze Stern“-Redaktion eine dezidiert linkspolitische Haltung besitzt und diese in der Sendung auch transportiert. Im Sinne der Meinungsvielfalt geben wir den Themen und Meinungsäusserungen der „Schwarze Stern“-SendungsmacherInnen ihren Raum, solange sie nicht gegen die Programmrichtlinien unseres Komplementärradios verstossen, z.B. Gewalt zu verharmlosen. Nachfolgend möchte ich auf die einzelnen Kritikpunkte eingehen, die Herr X in seinem Schreiben erwähnt:

‚Hoch revoltiererend und verhetzend gegen den schweizer und deutschen Staat‘
Ich habe in der geprüften Sendung keinen direkten Aufruf zur „Revolte“ gefunden. Ich habe nicht feststellen können, dass durch gemachte Aussagen die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz oder ihre verfassungsmässige Ordnung allenfalls gefährdet werden könnte. Dass in einem „Bekennerschreiben“ von Demonstrierenden/Brandstiftern zu Aktionen gegen das „Ausschaffungsgefängnis“ Bäslergut (Rubrik „Rückblick“, ab 7.50 min), welches die ModeratorInnen zitieren, der Schweiz zum Nationalfeiertag „alles erdenklich Schlechte“ gewünscht wird und ihr ein „widerwärtiges Migrationsregime“ vorgeworfen wird, reicht m. E. für diesen Vorwurf nicht aus. 

Allerdings wird das zitierte Schreiben als „super“ bezeichnet. Dabei wird nicht klar, ob sich das „super“ auf den Text selber bezieht oder die darin beschriebenen Aktionen (Sachbeschädigung)? Der Hörer kann eine deutliche Sympathie für die Aktionen aber heraushören. Dieser Aspekt hat aber nichts mit dem Vorwuf der „Hetze“ zu tun. 

Eine „Hetze“ gegen den deutschen Staat habe ich in der Sendung nicht ausfindigmachen können. Ich kann nur vermuten, dass sich dieser Vorwurf auf einen Song-Text der Band Egotronic bezieht, der sich kritisch mit rassistischen Tendenzen in Deutschland auseinandersetzt (Song wird ca. bei 4:50 min. eingespielt).

‚Hass-Propaganda‘
Es erschliesst sich mir nicht, an welcher Steller in der Sendung zum Hass angestachelt worden sein soll und auf welche Personengruppe oder Einzelpersonen.

‚Dem ungarischen Staat wird ohne Quellenangabe Folter vorgeworfen.‘ 
In der Rubrik „Rückblick“ (ab 16:10 min.) wird von der Moderatorin von einer Demonstration am 31.7.17 von Flüchtlingen gegen die Abschiebung aus der Schweiz nach Ungarn und Afghanistan berichtet. Geschildert wird der Marsch auf das EJPD in Bern. Dann wird ein Text erwähnt, den die Demonstrierenden offenbar verfasst haben: „In einem längeren Text erklären die Geflüchteten, warum sie Ausschaffungen nach Ungarn und Afghanistan anprangern: In Ungarn ist Asylpolitik nämlich noch etwas fieser als hier – so wird man wirklich als Gefangener behandelt. Man wird geschlagen, gefoltert und eingesperrt.“ Es ist anzunehmen, dass die Moderatorin hier aus dem o.g. Text zitiert, und diese Aussage nicht eine selbst aufgestellte Behauptung darstellt. Trotzdem wird die Quelle unzureichend definiert. Handelt es sich um ein Flugblatt der Flüchtlinge oder eine Internet-Quelle? Hier wird journalistisch schlecht gearbeitet, was beim Hörer/Beanstander den Eindruck wecken kann, es handele sich hierbei um eine unbelegte Behauptung der Moderatorin.

Nach dem Prüfen der Sendung sehe ich den Handlungsbedarf in erster Linie bei der journalistischen Weiterbildung der ehrenamtlichen Sendungsmachenden der Redaktion „Schwarzer Stern“ mit folgenden Aspekten: formal richtiges Zitieren, korrekte Quellenangaben, Abgrenzung von Meinung, Kommentar und Bericht, ausgewogene und differenzierte Darstellung von Sachverhalten unter Einbezug von Gegenmeinungen. Ich werde diese Aspekte bei den Sendungsmachenden in einem Feedback-Gespräch ansprechen.“

Die Radiostation Radiokanal K ist gemäss eigenen Aussagen ein gemeinschaftsbezogenes HörerInnenradio, bei welchen das Programm zu einem grossen Teil von ehrenamtlichen Radiomachern, die nicht gegen Bezahlung, sondern als Hobby und aus Berufung tätig sind, gestaltet wird. Im Rahmen des Sendegefässes K-Punkt wird jeweils am vierten Dienstag im Monat die Sendung „Schwarzer Stern“ ausgestrahlt. Gemäss eigenen Angaben handelt es sich dabei um ein „widerständiges Politmagazin – links und autonom“. In der Sendung wird „über das ausserparlamentarische Geschehen der Region und über Aktuelles aus der ganzen Welt“ berichtet. „Themen, die von anderen ignoriert werden, kommen hier zu Wort!“.

Die Sendung ist unterteilt in verschiedene Rubriken wie „Rückblick“, „Neues bei den Nazis“, „Veranstaltungstipps“ sowie zwei Hauptbeiträgen zur Ausschaffung von Flüchtlingen. Dazwischen wird Musik gespielt von Bands, die allesamt linkspolitische Texte in ihren Liedern verwenden.

Der Programmleiter schreibt in seiner Stellungnahme, dass die „Schwarze Stern“-Redaktion eine dezidiert linkspolitische Haltung besitzt und diese in der Sendung auch transportiert. In der Tat wird auch in der beanstandeten Sendung von einem „autonomen Politikmagazin für ausserparlamentarische Themen“ gesprochen. Für das Publikum ist meines Erachtens diese klare politische Haltung transparent gemacht und aus den Beiträgen ersichtlich. Im Rahmen des Rechts auf Freiheit der Meinungsäusserung können einseitige politische Ansichten auch über einen Radiokanal veröffentlicht werden und sind grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern das Publikum transparent auf die politische Meinung hingewiesen worden ist und sich das Publikum eine eigene Meinung zu den Beiträgen bilden kann. Zudem sind die einschlägigen programmrechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

Im Themenblock zum geplanten Neubau eines Gefängnisses in Basel wurde ein „Bekennerschreiben“ von Demonstrierenden und Brandstiftern zu den Aktionen gegen das „Ausschaffungsgefängnis“ Bässlergut vorgelesen. Darin wird beispielsweise der Schweiz zum Nationalfeiertag „alles erdenklich Schlechte“ gewünscht und ihr ein „minderwertiges Migrationsregime“ vorgeworfen. Wörtlich: „Wir wollen dir auf diesem Wege alles nur erdenklich Schlechte zu deinem Geburtstag wünschen, denn dein hässliches Antlitz begegnet uns jeden Tag. Für den Nationalfeiertag in Basel am 31. Juli haben wir uns gedacht, dir dein widerwärtiges Migrationsregime in Erinnerung zu rufen. Zu seinen Unehren und in Solidarität mit den Eingesperrten des Ausschaffungsknasts Bässlergut haben wir vor Ort einiges an Feuerwerk abgelassen sowie etliche Gruss- und Hassbotschaften an der Baustellenwand für den Erweiterungsbau "Bässlergut 2" hinterlassen (die Gefangenen seien gegrüsst). Zumindest wir, zwei dutzend Freund*innen in Feierlaune, hatten unseren Spass; die zu spät anrückenden Bullen wohl eher weniger...“

Bevor dieser Text vorgelesen wurde, wies die Moderatorin darauf hin, dass sie den Text zur Aktion so super fänden, dass sie ihn den Zuhörerinnen und Zuhörern nicht vorenthalten wollten. Damit distanzierte sich die Moderation nicht vom Text der Demonstranten, sondern machte ihn geradezu zu Eigen. Die deutliche Sympathie für die Aktion, wie dies auch der Programmleiter in seiner Stellungnahme feststellt, war deutlich herauszuhören. Die Sendungsmacher tolerierten damit implizit die Sachbeschädigungen an der Baustellenwand und freuten sich ebenso implizit mit den Demonstranten über das Angerichtete und die angekommene Polizei, die daran keine Freude haben sollte. Aus rundfunkrechtlicher Sicht fehlt hier klar die notwendige Distanzierung zu den Sachbeschädigungen, auch wenn damit noch keine Hetze oder ein Aufruf zur Gewalt herausgehört werden konnte.

In einem weiteren Beitrag wird über den Protest von Flüchtlingen gegen ihre Ausschaffung nach Afghanistan und Ungarn berichtet. Die Moderatorin verweist auf einen längeren Text der Flüchtlinge mit einer Begründung, warum sie die Ausschaffung nach Afghanistan und Ungarn anprangern. Danach erwähnt sie, dass in Ungarn die Asylpolitik noch etwas fieser sei als hier und man wirklich als Gefangener behandelt werde. Man werde geschlagen, gefoltert und eingesperrt. In Ihrer Beanstandung beziehen Sie sich wohl hauptsächlich auf diesen Abschnitt des Beitrags, indem Sie der Ansicht sind, dass dem ungarischen Staat ohne Quellenangabe Folter vorgeworfen werde, obwohl in der EU ein Folterverbot gelte. Ich teile Ihre Ansicht in diesem Punkt und muss feststellen, dass dieser schwerwiegende Vorwurf ohne irgendwelche Faktenbasis vermittelt wurde. Auf ein mögliches Vorwissen des Publikums zu dieser Problematik konnte die Moderation nicht vertrauen und es war auch nicht klar, ob das Statement zu Ungarn dem längeren Text der Flüchtlinge, der offenbar der Redaktion vorlag, entnommen wurde. Es fehlte in diesem Punkt an der notwendigen Transparenz und das Publikum konnte sich keine eigene Meinung bilden. Von der Redaktion hätte auch erwartet werden können, dass sie zu diesen schweren Vorwürfen eine Stellungnahme einholen würde.
Insofern erblicke ich hier eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 RTVG.

Ein weiterer Beitrag befasste sich mit einer Demonstration vom 12. August 2017: In diesem Beitrag wurde eine Erklärung der Demonstranten (revolutionären Jugendgruppe) im Wortlaut vorgelesen. Die Erklärung enthält klare antifaschistische Thesen und es wird zum gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus aufgerufen. Für das Publikum war meines Erachtens aber erkennbar, dass es sich um eine abgelesene Erklärung der Demonstranten handelte.

In zwei Teilen wurde über die von der Schweiz bewilligte Auslieferung der baskischen Aktivistin Nekane Txapartegi an Spanien berichtet. Einerseits wurde ein Brief der Protagonistin ohne Kommentar vorgelesen und andererseits ein Interview mit der Anwältin von Nekane angekündigt. Als Zuhörer des Beitrags erwartete ich - wie von der Moderation angekündigt - ein Interview mit Fragen und Antworten. Tatsächlich aber wurden Tonaufnahmen mit Meinungsäusserungen der Anwältin von Nekane gesendet. Es gab keine Fragen und auch kein allenfalls kritisches Hinterfragen von Seiten der Redaktion. In der Abmoderation zu den Tonaufnahmen wurde lediglich darauf hingewiesen, dass Gewalt - auch sexualisierte Gewalt - von den Staaten - darunter auch die Schweiz - immer noch legitimiert werde. Die Anwältin von Nekane Txapartegi äussert schwere Vorwürfe gegen die Schweiz resp. die Bundesanwaltschaft, welche das Auslieferungsgesuch Spaniens bewilligte. Von der Redaktion hätte erwartet werden können, dass sie zu diesen schweren Vorwürfen eine Stellungnahme bei der Bundesanwaltschaft einholen würde.

Offenbar um eine ständige Rubrik in dieser Sendung handelt es sich beim Beitrag „Neues bei den Nazis“. Berichtet wurde über verschiedene Aktivitäten der PNOS. Die Hörerschaft wird aufgerufen, das Video zur Tell-Verhüllung auf der Webseite der PNOS anzuschauen und die Namen der darauf gezeigten Personen über die Webseite ‚www.antifa.ch‘ zu melden. Es werden im Beitrag pauschale Vorwürfe gegen einen Protagonisten der PNOS erhoben („der die ganze Zeit seinen Scheiss in die Kamera spricht“), ohne diesem die Möglichkeit zur Entgegnung zu geben. Es gehört zu den allgemein anerkannten journalistischen Sorgfaltspflichten, dass den durch eine Sendung Betroffenen eine faire und würdige Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben wird. Im vorliegenden Fall war davon nichts zu hören.

Nach einer weiteren Musikpause wurde ein Brief von Nekane Txapartegi anlässlich des Frauentags 2017 vorgelesen. Darin wird von Klassenkampf gesprochen, von radikalen Feminismus, Antirassismus, etc. Die Redaktion äusserte sich nur dahingehend, dass sie die Aussagen so stehen lassen und nicht anderen Leuten etwas in den Mund legen wollten, dass sie nicht gesagt hätten. Dieser Teil ist insofern nicht zu beanstanden, zumal klar darauf hingewiesen wurde, dass es sich um das subjektive Statement von Nekane Txapartegi handelt.

Am Schluss folgten einige Veranstaltungstipps und ganz am Ende der Sendung bei der Verabschiedung empfahl der Moderator der Hörerschaft, dass sie sich nicht erwischen lassen sollte. Diese Empfehlung kann von der von der Sendung anvisierten Zuhörerschaft durchaus als Aufforderung zur Begehung von widerrechtlichen Aktionen verstanden werden. Aufgrund der Ausrichtung der Sendung und der darin behandelten Themen gehe ich nicht davon aus, dass diese Empfehlung spasseshalber vorgenommen wurde.

Ich habe mir die einzelnen Beiträge der beanstandeten Sendung mehrmals angehört und einen zwiespältigen Eindruck erhalten. Das Recht auf freie Meinungsäusserung ist zu respektieren und es ist zulässig, dass auch politisch einseitige Meinungen und Informationen über eine private Radiostation in einem dafür vorgesehenen Sendegefäss vermittelt werden. Von zentraler Bedeutung dabei ist, dass das Publikum transparent auf die politische Ausrichtung der Informationen und Meinungen hingewiesen wird und dass sich das Publikum eine eigene Meinung zu den Beiträgen binden kann. In der beanstandeten Sendung wurden mehrheitlich Statements von Dritten vorgelesen, ohne diese kritisch zu hinterfragen, oder - soweit es um die Tolerierung von widerrechtlichen Sachbeschädigungen ging - sich zu distanzieren. Zum Teil schwere Vorwürfe wurden ohne genügende Faktenbasis sowie Transparenz vermittelt und Betroffene wurden nicht zu einer Stellungnahme zu den Vorwürfen befragt. Grundlegende journalistische Handwerksregeln werden nicht eingehalten. Mir ist bewusst, dass das Programm von Radio Kanal K zum grössten Teil von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne Bezahlung gestaltet wird. Bei der Behandlung von heiklen Themen oder Anschuldigungen gegenüber Dritten ist jedoch zu erwarten, dass auch bei diesem Radioprogramm die rundfunkrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Es besteht dringender Ausbildungsbedarf. Insofern nehme ich mit Genugtuung zur Kenntnis, dass der Programmleiter von Kanal K in seiner Stellungnahme ebenfalls Handlungsbedarf in erster Linie bei der journalistischen Weiterbildung der ehrenamtlichen Sendungsmachenden der Redaktion „Schwarzer Stern“ sieht. Dabei stehen seiner Meinung nach die folgenden Aspekte im Vordergrund: formal richtiges Zitieren, korrekte Quellenangaben, Abgrenzung von Meinung, Kommentar und Bericht, ausgewogene und differenzierte Darstellung von Sachverhalten unter Einbezug von Gegenmeinungen. Anzufügen ist aus meiner Sicht noch, dass auch Empfehlungen zur Ausübung von widerrechtlichen Handlungen unterlassen werden sollten.

Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientieren Sie das beigefügte Merkblatt und der Auszug aus dem Radio- und Fernsehgesetz.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Oliver Sidler Ombudsmann