Beitrag zur Rentenreform in Nachrichtensendungen von TeleZüri,TeleM1,TeleBärn vom 18. September 2017
Schlussbericht der Ombudsstelle
Sehr geehrter Herr X
Ihre Beanstandung vom 5. Oktober 2017 habe ich erhalten und am 7. Oktober 2017 die Chefredaktion von TeleZüri zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2017 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.
Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angesehen, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.
Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das maßgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.
Mit Ihrer Beanstandung rügen Sie eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots und begründen dies wie folgt:
„Der Beitrag beginnt korrekt. Es wird der Artikel 13 der Rentenreform gezeigt. Es wird sogar darauf hingewiesen, dass durch diesen Artikel der überobligatorische Teil der Pensionskassen geregelt wird. Je länger der Beitrag aber dauert, desto unklarer wird die Unterscheidung zwischen dem obligatorischen und dem überobligatorischen Teil der Pensionskassen gemacht. Ja, am Schluss erhält man den Eindruck, basierend auf den letzten Aussagen des Sprechers, dass das Rentenalter generell auf 70 Jahre steigt. Zudem wird die berichtigende Aussage von Jacqueline Badran als Beschwichtigung bewertet und damit als „Ausrede“ dargestellt, was wohl den Eindruck verstärken sollte, es ginge um das generelle Rentenalter. Auch ihre Aussage am Schluss ("Das wäre theoretisch schon möglich.") dürfte in einen falschen Zusammenhang gestellt worden sein, da Jacqueline Badran ja immer klar vom überobligatorischen Teil der Pensionskassen sprach, im Abschluss generell aber vom Rentenalter 70 die Rede war.
Bereits im Titel (Arbeiten bis 70 mit AHV Reform) wird der falsche Zusammenhang zwischen generellem Rentenalter und dem Artikel gemacht. Den Medienleuten dürfte klar sein, dass eine solche Falschmeldung innert weniger Tage nicht mehr korrigiert werden kann. Ich werte den Beitrag daher als bewussten Versuch, die Abstimmung zur Rentenreform zu beeinflussen. Der Gipfel der Geschichte ist aber, dass bereits bisher die Pensionskassen das Recht hatten, den überobligatorischen Teil erst mit 70 Jahren auszuzahlen. Der Artikel ändert also im diskutierten Bereich gegenüber dem bestehenden Gesetz gar nichts.“
Der Stellungnahme des Veranstalters ist Folgendes zu entnehmen:
„Die Grundaussage des Beitrags beinhaltet, dass die Pensionskassen laut Gesetzestext berechtigt sind, den überobligatorischen Teil der Pensionskasse erst mit 70 auszubezahlen. Diese Aussage ist inhaltlich korrekt. Der thematisierte Artikel 13 BVG wurde im Gesetz neu und konkret formuliert. 85 Prozent aller Versicherten sind überobligatorisch versichert. Das Thema ist demnach von öffentlichem Interesse. Der Beitrag behandelte die Frage, welche Auswirkungen der neue Gesetzestext auf die Praxis haben könnte.
Der Hinweis, wonach der umstrittene Artikel 13 nur den überobligatorischen Teil der Pensionskassen betrifft, wird während des Beitrags dreimal explizit erwähnt. Zweimal durch unseren Bundeshauskorrespondenten im Offtext und ein weiteres Mal durch Nationalrätin Jacqueline Badran. Im Weiteren ist wiederholt von möglichen Rentenkürzungen und nicht von einer verspäteten Auszahlung der gesamten Rente die Rede. Unserer Ansicht nach trifft der Vorwurf des Beschwerdeführers nicht zu.
Der Beitrag ist unserer Ansicht nach ausgewogen. Er berücksichtigt Gegner. Befürworter der Vorlage. Auch das zuständige Bundesamt kann zum Gesetzesartikel Stellung beziehen. Die Aussage von Jacqueline Badran ist tatsächlich beschwichtigend. Dies ist jedoch unausweichlich, da sie eine Befürworterin der Vorlage war. Der Vorwurf, dass TeleZüri ihre Aussage als Ausrede dargestellt hat, ist nicht nachvollziehbar. TeleZüri hat ihre stärksten Argumente veröffentlicht, wonach der Gesetzestext in der Praxis nicht angewendet wird. Diese Aussage wird durch das Statement des zuständigen Bundesamtes gestützt. Der Zuschauer kann sich nach dem Anschauen des Beitrags durchaus eine eigene Meinung bilden.
Zuletzt kritisiert der Beschwerdeführer, dass sich zur heute geltenden Regelung nichts ändere. Wie erwähnt wurde der entsprechende Gesetzesartikel konkretisiert. Eine Altersgrenze 70 ist im geltenden Gesetzesartikel nicht formuliert. Die heutigen Möglichkeiten der Obergrenze beziehen sich auf einen Leitentscheid des Bundesgerichts. Ob sich durch die Neuformulierung des Gesetzestextes in der Praxis etwas ändert, darüber gehen die Meinungen auseinander, wie der Beitrag darlegt.
Zudem geht aus dem Beitrag hervor, dass zahlreiche von TeleZüri angefragten Parlamentarier vom thematisierten Gesetzesartikel keine Kenntnis hatten. Die Folgerung liegt nahe, dass dies auch auf eine grosse Anzahl von Stimmbürgern zutrifft. Insofern hatte der Beitrag - unabhängig von der heute geltenden Regelung - durchaus eine aufklärerische Wirkung. Wir gehen mit dem Beschwerdeführer jedoch einig, dass ein Vergleich zwischen der geltenden Regelung und der künftigen Formulierung im Gesetz journalistisch notwendig gewesen wäre. Deshalb hat TeleZüri entschieden, den Beitrag auf der eigenen Internetseite zu sperren.“ In dem von Ihnen beanstandeten Beitrag wird Art. 13 BVG, der neu im Gesetz aufgenommen werden sollte, thematisiert. Als eine eigentliche „Entdeckung“ des Journalisten werden dieser Gesetzesartikel dargestellt und zwei ausgewählte Parlamentarier damit konfrontiert, die sich grundsätzlich überrascht zeigten über diese Formulierung im Gesetz. Konkret geht es in diesem Art. 13 BVG um die Möglichkeit der Pensionskassen, ein vom Referenzalter (65 Jahre) abweichendes Pensionsalter vorzusehen, das höchstens fünf Jahre tiefer oder fünf Jahre höher liegen darf. Dabei geht es ausschliesslich um den überobligatorischen Teil der Pensionskassen. Aber gerade diese Unterscheidung zwischen dem obligatorischen und dem überobligatorischen Teil der Pensionskassen wird im Beitrag nicht ganz klar und erstmals etwa ab der Hälfte des knapp dreiminütigen Beitrags erwähnt. Eine Klarstellung und damit eine erste Erklärung zu diesem Gesetzesartikel gibt die vom Journalisten befragte Nationalrätin Jaqueline Badran. Mit dieser Aussage könnte der Zuschauerin und dem Zuschauer die Problematik klargemacht werden, wenn nicht im Kommentar vor dem Statement der Nationalrätin erwähnt worden wäre, dass diese respektive die Mitte-Links-Parteien diesen Gesetzesartikel „kleinreden“ würden. Damit wurde die Erklärung von Badran stark relativiert, wenn nicht sogar vom Journalisten als unbedeutend qualifiziert. Für die Zuschauerin und den Zuschauer blieb die Problematik somit weiterhin im Unklaren. Unklar ist auch, ob die Aussage von Badran, „Das scheint theoretisch möglich zu sein“, sich auf den Kommentar des Sprechers, „der Art. 13 … künftig genauso ein expliziter Freipass für das Pensionsalter 70“, gehört oder nicht.
Für die Zuschauerin und den Zuschauer wird aus dem ganzen Beitrag nicht ganz klar ersichtlich, ob Art. 13 BVG nur für den überobligatorischen Bereich der Pensionskassen oder auch für den obligatorischen Bereich der Pensionskassen gelten soll. Auch wenn die Off-Stimme zweimal im Beitrag erwähnt, dass Art. 13 BVG für den überobligatorischen Teil der Pensionskassen gelte, geht diese Aussage unter, vor allem deshalb, weil sich der Konsumentenschutz-Experte nicht explizit dazu äussert und die Aussage von Nationalrätin Badran, die diesen wichtigen Punkt erwähnt, als „Kleinreden“ disqualifiziert wird. Und gar nicht erwähnt wird im Beitrag, dass Vorsorgeeinrichtungen bereits heute in ihrem Reglementen vorsehen können, das Rentenalter abweichend von der gesetzlichen Lösung festzusetzen, sofern die Ansprüche nach BVG der Versicherten gewahrt bleiben.
Insgesamt komme ich zum Schluss, dass der von Ihnen beanstandete Beitrag zu wenig klar und deutlich darauf aufmerksam machte, dass Art. 13 BVG nur für den überobligatorischen Teil der Pensionskassen gilt und dass sich die Rechtslage gegenüber der heutigen Regelung nicht (wesentlich) ändert. Aus meiner Sicht konnte sich so der Zuschauer und die Zuschauerin kein eigenes Bild machen zu dieser Problematik.
Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Oliver Sidler Ombudsmann