TeleZüri - News vom 8. Juni 2022
Beanstandung der Sendung ZüriNews vom 8. Juni 2022 - TeleZüri
Schlussbericht des Ombudsmanns
Sehr geehrte Frau X
Ihre Beanstandung vom 16. Juni 2022 habe ich am 20. Juni 2022 der Chefredaktion von TeleZüri zur Stellungnahme zugestellt. Mit Schreiben vom 23. Juni 2022 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.
Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angesehen, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.
Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.
1. Beanstandung
„«EVP Nationalrätin fordert Strafe für Freier» Unter diesem Titel war um 18.00 eine Sendung von ca. 3 Minuten zu sehen, die das Anliegen und die Reaktion des Parlaments auf die Motion «Menschen sind keine Ware» von Frau Marianne Streiff aufzeigen sollte. https://tv.telezueri.ch/zuerinews/evp-nationalraetin-fordert-bestrafung-fuer-freier-146785854 Sowohl der Motionärin Marianne Streiff, als auch der Sprecherin der GegnerInnenschaft der Motion, der Beratungsstelle Isla Victoria mit Sprecherin Béatrice Bänninger, wurden die Möglichkeit gegeben, ihr Anliegen aufzuzeigen und zu erläutern. Beide Positionen sind nachvollziehbar und handeln von den gegensätzlichen Auffassungen zur Thematik. Die Informations-Sendung war bebildert mit Szenen von Strassensex – von Bildern des Angebots von käuflichem Sex, also eigentlich von der Ware Frau. Es waren Bilder von sich entspannt auf einem Bett räkelnden Sexarbeiterinnen in entsprechender Pose und Tanga zu sehen; dies und andere aufreizende Gegenstände (Schuhe). Also ganz nach dem Motto: «Es ist so schön, sich prostituieren zu dürfen», frei über diese Handlung entscheiden zu können und dafür noch bezahlt zu werden. Nirgends war eine der nach Forschungen 89% ausmachenden Frauen zu sehen, die unter der Situation leidet, sie als Notlage (Geldnot) betrachtet und aussteigen würde, wenn sie die Möglichkeit hätte.
Ich bin der Ansicht, diese Sendung habe Art. 4 und 5 des Radio- und Fernsehgesetzes verletzt:
Art. 4 1 Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen.
Dies war meiner Ansicht nach nicht eingehalten.
2 Redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Eine Meinungsbildung in der Frage Ausstiegswilliger war so nicht möglich.
Art. 5 Jugendgefährdende Sendungen Programmveranstalter haben durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Massnahmen dafür zu sorgen, dass Minderjährige nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre körperliche, geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden.
Dass diese Problematik um diese Zeit und in dieser Art nicht hätte ausgestrahlt werden dürfen, wurde dann im «Talktäglich» sehr deutlich. Der Talk vermochte, von beiden Seiten her hervorragend besetzt und sehr gut moderiert, bestens die reale Situation in körperlicher, geistig-seelischer sittlicher und sozialer Dimension darzustellen.
Für Minderjährige und Jugendliche war der Kurzbeitrag in den Nachrichten jedoch in allen Dimensionen gefährdend. Für sie und viele Erwachsene, die in infantilen Vorstellungen vom Leben verhaftet geblieben sind auch. Denn diese TV-KonsumentInnen schauen sich kein anschliessendes Talktäglich an, auf das ja auch nicht aufmerksam gemacht wurde. Sie orientieren sich an den gezeigten Bildern.“
2. Stellungnahme Veranstalter
«Der Beitrag behandelt ein tagesaktuelles Geschäft, das im Nationalrat am 8. Juni behandelt wurde. Die Beschwerdeführerin bestätigt, dass die Pro- und Kontra-Positionen zur entsprechenden Motion korrekt und nachvollziehbar wiedergegeben wurden. Damit bestätigt die Beschwerdeführerin gleich selbst, dass der Beitrag sachgerecht war. Die Zuschauerinnen und Zuschauer konnten sich zur Frage, ob Sex gegen Geld bestraft werden soll, durchaus eine Meinung bilden.
Die Beschwerdeführerin behauptet jedoch, die Bilder würden suggerieren, dass «es schön sei, sich zu prostituieren». Nirgends sei eine Frau zu sehen, die unter der Prostitution leide. Diese Behauptung ist eine Interpretation. Sie wird dadurch widerlegt, dass die Motionärin ihren Vorstoss im Beitrag gleich zu Beginn mit der Ausbeutung der Frauen begründet. Die Ausbeutung wird auch im weiteren Verlauf des Beitrags thematisiert.
Die für den Beitrag verwendeten Bilder sind anonymisiert und es werden keine primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale gezeigt. Die Bebilderung war bewusst sehr zurückhaltend und zeigt verschiedene Örtlichkeiten von sich prostituierenden Frauen. Den Vorwurf, dass TeleZüri die körperliche, geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung von Minderjährigen gefährdet habe, weisen wir deshalb zurück. Er greift auch deshalb zu kurz, weil Jugendliche im heutigen Handyzeitalter dauernd Zugriff auf weit explizitere und auch gewaltsame Clips haben.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist zudem widersprüchlich. Einerseits wirft sie TeleZüri vor, keine Bilder von unter Ausbeutung leidenden Frauen gezeigt zu haben, andererseits echauffiert sie sich über angeblich «aufreizende Gegenstände (Schuhe)» und plädiert für mehr Jugendschutz.
Weiter behauptet die Beschwerdeführerin, dass in den ZüriNews kein Hinweis auf die ihrer Ansicht nach «hervorragend besetzte» Sendung «TalkTäglich» gemacht worden sei. Diese Aussage ist gleich doppelt falsch. Sowohl unmittelbar nach dem Beitrag, als auch am Ende der Sendung wurde auf die Vertiefung des Themas im «TalkTäglich» hingewiesen.
Fazit: Wir erachten den Beitrag als sachgerecht, ausgewogen und mit der notwendigen Zurückhaltung bebildert.»
3. Einschätzung des Ombudsmanns
Der von Ihnen beanstandete Beitrag wurde im Rahmen einer Nachrichtensendung um 18:00 Uhr ausgestrahlt und thematisierte den gleichentags im Nationalrat abgelehnten Vorstoss zum Sexkaufverbot. Der Newsbeitrag war für Sie informativ, sachgerecht in dem Sinne, als beide Positionen zur Sprache kamen, und nachvollziehbar, weil die gegenseitigen Auffassungen thematisiert wurden.
Nicht einverstanden sind Sie jedoch mit den gesendeten Symbolbildern. Gezeigt wird einmal – jeweils nur wenige Sekunden lang – eine Szene vom Strassenstrich, dann eine sich auf einem Bett rekelnde Frau, die nur mit Unterwäsche bekleidet ist, weiter wiederum eine ganz kurze Szene vom Strassenstrich, anschliessend eine nur mit einem Tanga bekleidete Frau auf einem Bett, Szenen aus einer Bar mit Fokus auf ein paar Frauenschuhe und anschliessend eine Frauengruppe mit nackten Brüsten; dann wieder eine Szene vom Strassenstrich und schliesslich Aufnahmen von halbnackten Körpern wohl in einem Sexclub. Mit Ausnahme der Szenen vom Strassenstrich ist bei der Bebilderung auffällig, dass der Fokus auf das entblösste Gesäss von Frauen gelegt wird. Insbesondere die Filmaufnahmen mit den nur spärlich bekleideten Frauen und dem entsprechenden Fokus waren aus meiner Sicht – und dort teile ich Ihre Meinung – zur Bebilderung dieses Beitrags völlig unnötig. In einem Bericht zum Thema Verbot der Sexarbeit und auch dem Hinweis im Interview, dass fast 90% der Prostituierten gerne aus dem Beruf aussteigen wollten, ist das Zeigen von leicht aufreizenden Bildern nicht unbedingt adäquat. Dies auch dann, wenn keine primären Geschlechtsteile gezeigt werden. Da diese Szenen aber nur von kurzer Dauer und in einem Nachrichten-Beitrag eingebettet waren, vermag ich darin noch keine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen im Sinne von Art. 5 RTVG erblicken.
Schlussendlich ist es eine Frage des Geschmacks, welche im Rahmen von Programmrechtsbeanstandungen nicht von der Ombudsstelle oder der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen zu beurteilen ist. Ich empfehle aber der Redaktion von TeleZüri, bei heiklen Themen einen besonderen kritischen Blick auf die Auswahl der Symbolbilder zu werfen.
Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Oliver Sidler Ombudsmann