TeleBärn - News vom 21. Juni 2022

Beanstandung der Sendung TeleBärn-News vom 21. Juni 2022 - TeleBärn

Schlussbericht des Ombudsmanns

Sehr geehrter Herr X

Ihre Beanstandung vom 5. Juli 2022 habe ich erhalten und am 6. Juli 2022 die Chefredaktion von TeleBärn zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 29. Juli 2022 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.

Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angesehen, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.

Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.

1. Beanstandung

„Beanstandung zum Beitrag auf TeleBärn vom 21.06.22, 18:00 Uhr, TeleBärn News: „Kirschblütler-Affäre hat Folgen: Psychiatriezentrum Münsingen trennt sich von Chefarzt“ https://www.telebaern.tv/telebaern-news/kirschbluetler-affaere-hat-folgen-psychiatriezentrum-muensingen-trennt-sich-von-chefarzt-146936593 (0:54 min): „Die Kirschblüten-Gemeinschaft praktiziert unter anderem unkonventionelle Therapien mit illegalen Substanzen oder auch Geschlechtsverkehr mit Patienten.“

Hier wurde mehrfach das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt:

  1. Die Kirschblüten-Gemeinschaft bietet keine Therapien an. Einzelne Menschen in der Kirschblüten-Gemeinschaft arbeiten in therapeutischen Berufen. Diese verfügen über die nötigen Ausbildungen und Qualifikationen zur Berufsausübung und halten sich an den gesetzlichen Rahmen und die geltenden Standesordnungen.
  2. Wir befürworten die substanzunterstützte Psychotherapie (Psycholyse), die in der Schweiz legal ist, wenn legale Substanzen oder zugelassene Heilmittel zur Anwendung kommen. Weltweit besteht ein grosses Forschungsinteresse an diesem Therapiezweig. Wir widersprechen der Behauptung, dass in Therapien illegale Substanzen zum Einsatz kommen. Verschiedene, teils sehr aufwändige Untersuchungen des Gesundheitsamtes und der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn entlasteten uns von diesem Vorwurf.
  3. In Therapien in den Praxen von Menschen der Kirschblüten-Gemeinschaft wird kein Geschlechtsverkehr mit Patienten praktiziert. Das ist eine unwahre Behauptung. Wir machen an verschiedenen Stellen immer wieder deutlich, dass wir sexuelle Handlungen in Abhängigkeitsverhältnissen wie zwischen Eltern und Kindern oder in der Therapie klar ablehnen.

Wir verlangen eine korrigierende Gegendarstellung auf dem Kanal und zu der Sendezeit, wo der ursprüngliche Bericht ausgestrahlt worden ist, und dass die entsprechenden Passagen aus dem online einsehbaren Beitrag gelöscht werden.

Für die Kirschblüten-Gemeinschaft X“

2. Stellungnahme Veranstalter

„Ich nehme als zuständiger Chefredaktor dazu wie folgt Stellung: Die Kritik der Beschwerdeführer richtet sich an folgenden Satz, bezw. folgenden Off-Text unserer Journalistin im Bericht: (0:54 min) „Die Kirschblüten-Gemeinschaft praktiziert unter anderem unkonventionelle Therapien mit illegalen Substanzen oder auch Geschlechtsverkehr mit Patienten.“

Die folgende Textpassage kam aus gemischten Informationen anderer Quellen zustande: -Frühere Berichterstattungen anderer Medien/Sender -Publizierte Berichte im Internet -Aussagen der - auch in frühere Berichten - vorkommenden Polit-Stimmen

Dies Aussagen/Behauptungen haben wir übernommen und nicht separate verifiziert. Auch wurde diese Tatsache nicht mit den Verantwortlichen der Kirschblüten-Gemeinschaft besprochen, bezw. ihre Sichtweise dazu abgeholt. Da die zuständige Journalsitin momentan nicht am arbeiten ist, konnte ich bislang nicht verifizieren, ob der Versuch einer Kontaktaufnahme mit Mitgliedern der Kirschblüten-Gemeinschaft zwecks Konfrontation mit diesen Fakten stattgefunden hatte.

Die Textpassage im Original-Mundart-Wortlaut: "D Chirschblüetegmeinschaft praktiziert unger angerem unkonventionelli Therapie mit illegale Subschtanze oder ou Gschlächsverchehr mit Patiente"

Der Text hätte aus meiner Sicht folgendermassen formuliert werden müssen: "D Chirscbblüetegmeinschaft praktizieri unger angerem unkonventionelli Therapie mit illegale Subschtanze oder ou Gschlächsverchehr mit Patiente"

Dazu hätte im Text begleitenderweise darauf hingewiesen werden müssen, dass es sich dabei um Behauptungen und Gerücht von Dritten handle, die immer wieder im Zusammenhang mit der Kirschblüten-Gemeinschaft auftauchen.

Wir verlangen eine korrigierende Gegendarstellung auf dem Kanal und zu der Sendezeit, wo der ursprüngliche Bericht ausgestrahlt worden ist, und dass die entsprechenden Passagen aus dem online einsehbaren Beitrag gelöscht werden. Ich biete folgendes an: -Korrektur des Online-Beitrages in der oben beschriebenen Form

Von einer Gegendarstellung bezw. Korrigenda auf dem Sender sehe ich vorderhand ab, da die Ausstrahlung über einen Monat zurückliegt und der Korrigenda vorgängig der ursprüngliche Inhalt zum Verständnis der Zuschauerschaft wiedergegeben werden müsste, und damit die Thematik nochmals Publizität erhält.“

3. Einschätzung des Ombudsmanns

Bei dem von Ihnen beanstandeten Beitrag geht es um die Berichterstattung über eine Medienkonferenz des Psychiatriezentrums Münsingen zur Präsentation der Untersuchungsergebnisse zur sogenannten Kirschblüten-Affäre. Im ersten Teil des Beitrags wird die Entlassung des Chefarztes als Folge der Kirschblüten-Affäre thematisiert. Ihm würden Mängel in der Führungskompetenz vorgeworfen. Als Folge werde eine kollegial zusammengesetzte Direktion geschaffen und eine Meldestelle für anonyme Hinweise zu Führungsmängel eingerichtet werden. Eingeblendet wurden Statements des Verwaltungsratspräsidenten wie auch des Direktors des Psychiatriezentrums. In einem zweiten Teil des Beitrags nach einem Statement des Direktors zur neu geschaffenen Meldestelle folgt abrupt eine Einblendung mit Archivaufnahmen offenbar einer Kirschblüten-Sitzung mit dem von Ihnen vor allem beanstandeten Satz, dass die Kirschblüten-Gemeinschaft unter anderem unkonventionelle Therapien mit illegalen Substanzen oder auch Geschlechtsverkehr mit Patienten praktizieren. Danach folgt der Hinweis der Moderatorin, dass die Untersuchung gezeigt habe, dass keine Patientinnen oder Patienten während der Anstellung der drei der Kirschblüten-Gemeinschaft angehörenden Mitarbeiterinnen Schäden erlitten habe. Danach äusserte sich der Verwaltungsratspräsident dahingehend, dass die Klinik künftig keine Mitglieder der erwähnten Gemeinschaft mehr anstellen werde. Zum Schluss des Beitrags kommt die Grossrätin Gasser, welche im Grossen Rat des Kantons Bern eine Motion zu einer Untersuchung der Affäre eingereicht hatte, zu Wort. Diese äussert sich insbesondere zur Kirschblüten-Gemeinschaft und zu deren Therapieform, welche gemäss Fachverband nicht mit dem Berufsethos vereinbar sei.

Der Beitrag in der Nachrichtensendung von TeleBärn legt den Fokus auf die Entlassung des Chefarztes. Nur am Rande wird einmal erwähnt, dass aufgrund der Anstellung von drei ehemaligen Mitarbeiterinnen aus der umstrittenen Kirschblüten-Gemeinschaft keine Patientinnen und Patienten zu Schaden gekommen seien. Dies erstaunt, waren ja gerade die Vorwürfe rund um die Anstellung dieser Mitarbeiterinnen Anlass dazu, den Sachverhalt unabhängig abklären zu lassen. Gemäss Medienmitteilung des Psychiatriezentrums Münsingen habe die externe Untersuchung im erweiterten Kontext aber auch verschiedene organisatorische und führungsspezifische Schwachstellen aufgezeigt. Diese wurden im Bericht erwähnt, nicht aber beispielsweise die problematische Doppelfunktion des ärztlichen Direktors und Chefarztes der Klinik für Depression und Angst.

Nach der Visionierung des Beitrags hatte ich den Eindruck, der ehemalige Chefarzt sei wegen der Anstellung der drei Mitarbeiterinnen aus der Kirschblüten-Gemeinschaft entlassen worden. Erst die Lektüre der Medienmitteilung (und nicht einmal des gesamten Untersuchungsberichts) vermittelte mehr Hintergrundinformationen zur Entlassung des Chefarztes.

In Ihrer Beanstandung geht es – wie bereits erwähnt – vor allem um den während der Filmeinspielung zu einer Kirschblüten-Gemeinschaft-Sitzung geäusserten Satz der Journalistin, dass die Kirschblüten-Gemeinschaft unter anderem unkonventionelle Therapien mit illegalen Substanzen oder auch Geschlechtsverkehr mit Patienten praktizieren. Sie äussern sich dahingehend, dass die Gemeinschaft keine Therapien anbiete und auch keine illegalen Substanzen im Rahmen der Substanz unterstützten Psychotherapie befürworten würde. Schliesslich werde in Therapien in den Praxen von Menschen der Kirschblüten-Gemeinschaft kein Geschlechtsverkehr mit Patientinnen und Patienten praktiziert. Im gesendeten Beitrag von TeleBärn wird weder Ihre Ansicht noch ein Hinweis darauf, dass die getroffene Aussage der Journalistin belegt ist, erwähnt. In der Stellungnahme von TeleBärn geht der Chefredaktor richtigerweise davon aus, dass die Aussage zumindest im Konjunktiv hätte formuliert werden sollen. Zudem fehlten die Angaben der Quellen und die Zuschauerin und der Zuschauer konnten sich so kein eigenes Bild zu dieser Aussage machen. Vielmehr musste man davon ausgehen, dass diese Aussage verifiziert wurde und stimmt. Interessanterweise kam auch kein Vertreter oder eine Vertreterin der Kirschblüten-Gemeinschaft zu Wort, welche sich zu diesen Vorwürfen hätte äussern können. Die Aussage der Grossrätin am Schluss des Beitrags, wonach die Therapieformen den Leitlinien des Berufsverbandes widersprächen, blieb ebenfalls unkommentiert stehen.

Zusammenfassend komme ich zum Schluss, dass sich die Zuschauerin oder der Zuschauer kein eigenes Bild über die Ursachen der Entlassung des Chefarztes und insbesondere Aussage zu den unkonventionellen Therapien mit angeblich illegalen Substanzen oder auch Geschlechtsverkehr mit Patienten machen konnte. Die Vorwürfe mit der letzten Aussage sind schwer und wurden ohne Quellenangabe ausgestrahlt und die betroffene Gemeinschaft wurde nicht zu einer Stellungnahme mit den Aussagen eingeladen. Anzumerken ist hier jedoch, dass der Veranstalter in seiner Stellungnahme darauf hinwies, dass er nicht abklären konnte, ob Vertreter der Kirschblüten-Gemeinschaft zu den Vorwürfen angefragt worden seien.

Ich empfehle der Redaktion von TeleBärn, den Beitrag vollständig aus dem Internet-Archiv zu löschen und zudem eine Berichtigung, wenn möglich verbunden mit einer Stellungnahme eines Vertreters der Kirschblüten-Gemeinschaft, in einer der nächsten Newssendungen von TeleBärn auszustrahlen. Dabei soll es den Vertretern der Kirschblüten-Gemeinschaft überlassen sein, ob sie eine entsprechende Berichtigung ausgestrahlt haben wollen oder darauf verzichten.

Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Oliver Sidler Ombudsmann

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