4+ - Spielfilm vom 19. März 2023

Beanstandung der Ausstrahlung des Spielfilms "Der siebte Sohn" am 19. März 2023 - 4+

Schlussbericht des Ombudsmanns

Sehr geehrter Herr X

Ihre Beanstandung in vorerwähnter Angelegenheit hat Ihnen Herr Dr. Sidler, Ombudsmann, mit E-Mail vom 25. März 2023 bestätigt und sie mir als seinem Stellvertreter zur Bearbeitung weitergeleitet. Mit E-Mail vom 16. April 2023 habe ich CH Media um eine Stellungnahme ersucht. Diese ist bei mir eingetroffen.

Sie machen in Ihrer Beanstandung was folgt geltend:

  1. «Schauen Sie bitte die ersten 10 Min des genannten Films, welcher am So 19. März 2023 um 15:55 auf 4+ startete».
  2. «Da muss mir niemand erklären, dass diese Handlungen im Zusammenhang des Films stehen. Das es so und so zu verstehen sei. Das braucht's damit das Gesamtbild verstanden wird usw. Angekettete Kinder denen der Teufel ausgetrieben wird. Drachenmonster werden gejagt. Danach wird die Hexe verbrannt o.ä. Und es sieht alles realistisch aus!».
  3. «Und mir ist es egal, welche Version des Films gezeigt wird. Ob jetzt 2 Min gekürzt, damit FSK tiefer ist.»
  4. «Denken sie sich alles weg und nehmen ein 8-10 jähriges Kind, das am Nachmittag TV schaut und diese ersten 10 Min. sieht.»
  5. «Klar, der Fehler liegt bei den Eltern. Kleine sollten beim TV begleitet werden. Aber das ist einfach wunschdenken!»
  6. «Also, was wird den Kids vor Augen geführt?»
  7. «Das ist so eine schleichende Abstumpfung, die ihre Höhepunkte in den Medien, aka Soziale Medien findet. Immer deftiger, möglichst früh, damit noch ein Aha-Erlebnis kreiert wird.»
  8. «Ob 4+ diesen Film um diese Zeit zeigt oder nicht, wird die Welt nicht verändern, wie auch diese Mail nicht.»
  9. «Zurück zum Anfang, wieso schreibe ich überhaupt…?»
  10. «All diese Privaten haben ja keinen moralischen Auftrag!»

1. Stellungnahme von CH Media

Auf die vorstehend durchnummerierten Beanstandungen nimmt CH Media mittels Mail vom 20. April 2023 wie folgt Stellung:

  1. «Schauen Sie bitte die ersten 10 Min des genannten Films, welcher am So 19. März 2023 um 15.55 auf 4+ startete.»

Die Beanstandung bezieht sich auf die ersten zehn Minuten des auf unserem Sender 4+ am 19. März 2023 ab 15:53 ausgestrahlten Spielfilms "Der siebte Sohn" (Originaltitel "Seventh Son") -- nachfolgend der «Film» - einer Literaturverfilmung aus dem Jahr 2014 u.a. mit den Oscarpreisträger:innen Jeff Bridges, Julianne Moore und Alicia Vikander. Der Film basiert teilweise auf dem Jugendbuch "Der Schüler des Geisterjägers" (Originaltitel "The Spook's Apprentice") von Joseph Delaney aus dem Jahr 2004.

  1. «Da muss mir niemand erklären, dass diese Handlungen im Zusammenhang des Films stehen. Das es so und so zu verstehen sei. Das braucht's damit das Gesamtbild verstanden wird usw. Angekettete Kinder denen der Teufel ausgetrieben wird. Drachenmonster werden gejagt. Danach wird die Hexe verbrannt o.ä. Und es sieht alles realistisch aus!»

Es handelt es sich bei diesem Film um ein Werk des sogenannten «Fantasy»-Genres. Der Film spielt in einer historisch anmutenden fiktiven Welt, zu der Geister, Hexen, vom Teufel besessene Personen, Drachen und andere Fabelwesen, etc. gehören. Mit der Realität und Lebenswirklichkeit der Zuschauer:innen hat diese Fantasiewelt nichts gemeinsam, wodurch die vermeintliche Bedrohlichkeit der von Herrn X beanstandeten Szenen zu Beginn des Films - auch wenn diese durchaus realistisch dargestellt werden - deutlich relativiert wird.

  1. «Und mir ist es egal, welche Version des Films gezeigt wird. Ob jetzt 2 Min gekürzt, damit FSK tiefer ist.»

In Deutschland hat der Film eine Freigabe ab 12 Jahren (FSK12) erhalten. Die FSK-Einstufung ist für die Schweiz rechtlich nicht bindend, wird bei der Programmplanung aber regelmässig berücksichtigt. Filme, die für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet sind, können grundsätzlich auch im Tagesprogramm ausgestrahlt werden. Wir teilen die FSK-Einschätzung und halten den Film geeignet für Personen ab 12 Jahren.

  1. «Denken sie sich alles weg und nehmen ein 8-10 jähriges Kind, das am Nachmittag TV schaut und diese ersten 10 Min. sieht.»

Kinder unter 12 Jahren sollten u.E. Fernsehprogramme grundsätzlich unter Aufsicht der Eltern bzw. Erziehungsperson(en) konsumieren, sofern die Sendungen nicht explizit als für Kinder geeignet gekennzeichnet sind (wie z.B. das komplette Tagesprogramm unseres Sender 7+, welches ausschliesslich für Kinder geeignete Sendungen anbietet). Um die Eltern bei Ihrer Aufsichtspflicht zu unterstützen, besteht bei den meisten Weiterverbreitern (Swisscom, Sunrise, etc.) die Möglichkeit, die Sendungsauswahl mittels eines Altersfilters einzuschränken. Der vorliegend beanstandete Film wurde zwar im Tagesprogramm, nicht aber im Umfeld eines Kinderprogramms ausgestrahlt.

  1. «Klar, der Fehler liegt bei den Eltern. Kleine sollten beim TV begleitet werden. Aber das ist einfach wunschdenken!»

Ob Eltern und Erziehungspersonen Ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen oder nicht, liegt ausserhalb des Einflussbereichs von CH Media als Programmveranstalter. Wir können lediglich Hilfestellung anbieten, z.B. durch Altersangaben in der Sendungsbeschreibung, aber keine Erziehungsarbeit leisten.

  1. «Also, was wird den Kids vor Augen geführt?»

Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Film nicht um ein Kinderprogramm.

  1. «Das ist so eine schleichende Abstumpfung, die ihre Höhepunkte in den Medien, aka Soziale Medien findet. Immer deftiger, möglichst früh, damit noch ein Aha-Erlebnis kreiert wird.»

Als Programmveranstalter nehmen wir den Schutz von Kindern und Jugendlichen Ernst und treffen hierzu geeignete Massnahmen. Der Einfluss der sozialen Medien auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen liegt jedoch ausserhalb unseres Einflussbereichs.

  1. «Ob 4+ diesen Film um diese Zeit zeigt oder nicht, wird die Welt nicht verändern, wie auch diese Mail nicht.»

Wir stimmen Herrn X betreffend des «Impacts» seiner Beanstandung zu, möchten aber betonen, dass wir jedes Feedback zu unserem Programm aufmerksam studieren und zur Kenntnis nehmen.

  1. «Zurück zum Anfang, wieso schreibe ich überhaupt…?»

Diese Frage können wir leider nicht beantworten. Wie aber unter Punkt 8. erwähnt, nehmen wir jedes Feedback zur Kenntnis. Wir laden Herrn X gerne ein, sich künftig direkt an uns zu wenden (TVN.info@chmedia.ch).

  1. «All diese Privaten haben ja keinen moralischen Auftrag!»

Einen «moralischen Auftrag» für Fernsehveranstalter gibt es unseres Wissens nach nicht. Wir als privater Programmveranstalter sind den Vorgaben von RTVG und RTVV sowie den journalistischen Grundsätzen von CH Media verpflichtet.

Wir bedauern, dass Herr X offensichtlich eine negative Erfahrung mit unserem Programm hatte. Seine Beschwerde halten wir jedoch für sachlich unbegründet. Die Ausstrahlung des o.g. Films erfolgte nach unserer Einschätzung im Einklang mit den jugendschutzrechtlichen Vorschriften von RTVG und RTVV.»

2. Stellungnahme der Ombudsstelle

2.1. Grundsätzliches

Die Ombudsstelle behandelt nach Art. 91 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) Beanstandungen gegen:

a. ausgestrahlte redaktionelle Sendungen wegen Verletzung von Art. 4 und 5 des RTVG oder des für die schweizerischen Programmveranstalter verbindlichen internationalen Rechts;

abis. veröffentlichte, von der Redaktion gestaltete Beiträge im übrigen publizistischen Angebot der SRG wegen Verletzung von Art. 5a RTVG;

b. die Verweigerung des Zugangs zum Programm schweizerischer Veranstalter oder zum von der Redaktion gestalteten Teil des übrigen publizistischen Angebots der SRG.

Nach Art. 92 Abs. 1 RTVG kann jede Person bei der zuständigen Ombudsstelle eine Beanstandung einreichen: gegen redaktionelle Publikationen wegen einer Verletzung der Art. 4, 5 und 5a des RTVG (lit. a) und wegen Verweigerung des Zugangs (lit. b).

Beanstandungen müssen nach Art. 92 Abs. 2 RTVG innerhalb von 20 Tagen nach der Veröffentlichung der beanstandeten Publikation oder nach der Ablehnung des Begehrens um Zugang i.S.v. Art. 91 Abs. 3 lit. b RTVG eingereicht werden.

Da die formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf Ihre Beanstandung einzutreten.

Bevor ich auf Ihre Beanstandungen eingehe, scheint mir eine Vorbemerkung angebracht: Die Aufgabe der Ombudsstelle besteht einzig und allein darin zu überprüfen, ob in der beanstandeten Sendung die programmrechtlichen Be­stimmungen, insbesondere von Art. 4 und 5 RTVG, verletzt wurden. Dabei hat sie der den Veranstaltern zustehenden Programmautonomie gebührend Rech­nung zu tragen. Der Grund hierfür liegt darin, dass Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV; SR 101) und Art. 6 Abs. 2 RTVG die Programmautonomie des Veranstalters gewährleisten. Diese beinhaltet namentlich auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung und der inhaltlichen Bearbeitung.

Die Ombudsstelle hat weder eine journalistische Qualitätskontrolle vorzunehmen noch ist sie eine (erste) Gerichtsinstanz, die über Recht bzw. Unrecht urteilen muss. Sie hat somit nach Art. 93 Abs. 2 RTVG keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnisse, sondern lediglich zwischen den Parteien zu vermitteln und den Beteiligten schriftlich über die Ergebnisse ihrer Abklärungen und die Art der Erledigung der Beanstandung Bericht zu erstatten (Art. 93 Abs. 1 und 3 RTVG).

Für das Bundesgericht gibt es grundsätzlich kein Thema, das einer -- allenfalls auch provokativen -- Darstellung am Fernsehen oder am Radio entzogen wäre (Bundesgerichtsurteil vom 18. November 2011, 2C_710/2010, E. 3.2, in: BGE 137 I 345).

Nach Art. 4 Abs. 1 RTVG müssen alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms die Grundrechte beachten. Sie Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen.

Verboten sind Werbespots, «die sich die natürliche Leichtgläubigkeit der Kinder oder den Mangel an Erfahrung bei Jugendlichen zunutze» machen oder ihr «Abhängigkeitsgefühl» missbrauchen (BGE 133 II 136).

Nach dem Europäischen Übereinkommen vom 5. Mai 1989 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405) haben alle Sendungen eines Programms im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer zu achten; insbesondere dürfen sie (a) nicht unsittlich sein und namentlich keine Pornographie enthalten sowie (b) Gewalt nicht unangemessen herausstellen und nicht geeignet sein, zum Rassenhass aufzustacheln (Art. 7 Ziff. 1). Alle Sendungen eines Programms, welche die körperliche, geistig-seelische oder sittliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen können, dürfen nicht verbreitet werden, wenn anzunehmen ist, dass sie aufgrund der Sende- und Empfangszeit von Kindern oder Jugendlichen gesehen werden (BGE 133 II 136 E. 5.2.1).

2.2. Zum konkreten Fall

Ich habe mir die beanstandete Sendung angeschaut, besagte Stellungnahme von CH Media gele­sen und mir die nachstehenden Gedanken gemacht.

Nach Art. 93 Abs. 1 RTVG prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwi­schen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Pro­gramm­veranstalter besprechen oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung über­wei­sen (lit. a). Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Betei­lig­ten sorgen (lit. b), Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben (lit. c) oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren (lit. d).

Betrachten Sie das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht im Sinne von Art. 93 RTVG

Sie stören sich insbesondere daran, dass der eingangs erwähnte Film um 15:53 gezeigt wurde. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich um ein Werk des sog. «Fantasy»-Genres. Der Film spielt in einer historisch anmutenden fiktiven Welt. Zu dieser gehören Geister, Hexen, vom Teufel besessene Personen, Drachen und andere Fabelwesen. Mit der Realität hat diese Fantasiewelt nichts gemeinsam. Das relativiert die Bedrohlichkeit der von Ihnen beanstandeten Szenen zu Beginn des Films, selbst wenn diese in der Tat realistisch dargestellt wurden.

Zu Beginn des Spielfilms wird weder optisch noch akustisch darauf hingewiesen, dass die nachfolgende Sendung für Zuschauerinnen und Zuschauer unter einem bestimmten Alter nicht geeignet sei. Dabei gilt es beachten, dass, wie der Veranstalter schreibt, der Film in Deutschland eine Freigabe ab 12 Jahren (FSK 12) erhalten habe. Die FSK-Einstufung sei für die Schweiz rechtlich nicht bindend. Bei der Programmbildung werde diese Einstufung aber regelmässig berücksichtigt. Filme, die für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet seien, könnten grundsätzlich auch im Tagesprogramm ausgestrahlt werden. CH Media teile die FSK-Einschätzung und halte den Film als für Personen ab 12 Jahren geeignet.

Nach Art. 4 Abs. 1 der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV; SR 784.401) haben Veranstalter von frei empfangbaren Fernsehprogrammen jugendgefährdende Sendungen akustisch anzukündigen oder während ihrer gesamten Sendedauer mit optischen Mitteln zu kennzeichnen. Beim streitigen Film handelt es sich m.E. nicht um einen Horrorfilm oder um einen aus anderen Gründen jugendgefährdeten Film, weshalb die Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 RTVV vorliegend nicht zum Tragen kommen.

Mit Bezug auf die Sendezeit hält Art. 5 RTVG fest, dass die Programmveranstalter durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Massnahmen zu sorgen haben, dass Minderjährige nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre körperliche, geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI hat in Anwendung der Minimalvorschriften des europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen eine Einschränkung der Sendezeit in ihrer Rechtsprechung den schweizerischen Programmveranstaltern direkt auferlegt (vgl. UBI-Entscheid b.380 vom 23. April 1999). Sendungen mit Gewaltszenen sollten nicht vor 22.00/23.00 gesendet werden und dann auch nur im Rahmen von speziellen Sendegefässen (vgl. UBI-Entscheid b.532 vom 30. Juni 2006 sowie dazu Bundesgerichtsurteil 133 II 136).

Beim streitigen Film handelt es sich nicht um einen Horrorfilm. Er gefährdet meines Erachtens weder die körperliche noch die geistig-seelische noch die sittliche oder die soziale Entwicklung von Minderjährigen. Aus diesem Grunde findet die oben erwähnte Rechtsprechung auf den eingangs erwähnten Film keine Anwendung.

Der Film soll in Deutschland eine Freigabe ab 12 Jahren (FSK 12) erhalten haben. Trotzdem wäre es m.E. sinnvoll gewesen, zu Beginn des Films einen Hinweis anzubringen, dass der Film aus der Fantasiewelt stamme, mit der Realität und Lebenswirklichkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer nichts zu tun habe und (auch) für 12-Jährige einige grenzwertige Szenen enthalte. Dieser kritische Hinweis vermag aber nichts daran zu ändern, dass die Vorschriften des RTVG und der RTVV nicht verletzt wurden.

Schliesslich bleibt zu erwähnen, dass Ihnen CH Media für eine (kritische Rückmeldung) künftig gerne zur Verfügung steht (E-Mail: TVN.info@chmedia.ch).

Fazit:

Im Lichte des Gesagten gelange ich zum Schluss, dass mit der Ausstrahlung des eingangs genannten Films um 15:53 weder gegen das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen noch die dazugehörende Radio- und Fernsehverordnung verstossen wurde.

Freundliche Grüsse

Dr. iur. Toni Hess

Stellvertreter Ombudsmann