Sendung Standpunkte Basler Zeitung vom 3. Dezember 2017

Schlussbericht der Ombudsstelle

Sehr geehrter Herr X

Ihre Beanstandung vom 22. Dezember 2017 habe ich erhalten und am 23. Dezember 2017 die verantwortliche Redaktion von Presse TV zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 12. Januar 2018 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.

Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angesehen, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.

Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das maßgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.

Beanstandung

„Herr Somm bezeichnet die Schweizer Stimmbevölkerung im Zusammenhang mit der Annahme der Abstimmung zu Schengen pauschal und undifferenziert als „dumm“. Zitat: „die dumme Schwizer händ zuegstimmt“. Die Aussage blieb von den Beteiligten und dem Moderator unkommentiert.

Meines Erachtens ist dies eine inakzeptable Äusserung eines Gesprächsteilnehmers, insbesondere wenn dies noch durch den faktische Chef der Sendung geschieht. Einerseits entlarvt es die Gesinnung von Herrn Somm, resp. seinen mangelnden Respekt gegenüber dem Schweizer Stimmvolk und der Schweizer Demokratie. Andererseits – und hier relevant – ist diese Aussage in einer von SRF ausgestrahlten und von Presse-TV produzierten TV-Sendung aber insbesondere aus folgenden Gründen nicht tolerierbar.

•   Die Äusserung bezeichnet pauschal und undifferenziert ein ganzes Volk als dumm und ist insofern rassistisch. Allenfalls ist der Sachverhalt auch strafrechtlich relevant (Im Jahr 2000 erfolgte im Kanton Zürich wegen der Bezeichnung "Scheiss Schweizer" eine erstinstanzliche Verurteilung wegen Rassendiskriminierung) .
•   Die respektlos-abwertende Bezeichnung des Schweizer Stimmvolks als "dumm" verstösst gegen grundlegende gesellschaftliche Regeln von Anstand und Respekt und ist daher als unsittlich zu bezeichnen.

Besonders stossend ist, dass hier nicht irgendein situativ-emotionalisierter Bürger seinen Unmut in Form einer unüberlegt-spontanen Formulierung auf irgendeinem niederschwelligen sozialen Medium oder am Stammtisch zum Ausdruck gebracht hat. Vorliegend hat sich ein prominentes und einflussreiches Mitglied der politisch-medialen Elite unseres Landes, das gleichzeitig auch noch Chefredaktor und Verleger der veranstaltenden Zeitung ist, in einer auf einem SRF-Kanal ausgestrahlten Sendung ausserordentlich despektierlich und unangebracht über einen Teil der Schweizer Bevölkerung ausgelassen.

Es stellen sich mir daher folgende Fragen: • Wieso lässt der Moderator eine derart inakzeptable Äusserung unkommentiert im Raum stehen. Fehlt es allenfalls an der Unabhängigkeit und Distanz gegenüber dem Chef der BaZ? • Müsste das Verhalten von Herrn Somm nicht durch Presse-TV oder die SRG sanktioniert werden? Z.B. in Form einer Verwarnung? • Toleriert Presse-TV, resp. SRG eine solche aggressive und unanständige Rhetorik auf einem SRG-Sendekanal bietet Presse-TV und SRG eine Plattform (und macht sich damit mitverantwortlich) für die zunehmende Verrohung und Polemisierung in der Medien- und Politlandschaft und im öffentlichen Diskurs. Damit gefährdet man die differenziert-sachliche Meinungsbildung des Schweizer Stimmvolks und letztlich den demokratische Frieden in der Schweiz - ist das wirklich der Auftrag und das Ziel der SRG? Sind Presse-TV und SRG ihrer publizistischen Verantwortung in diesem Fall nachgekommen oder hätten sie nicht Intervenieren und/oder Richtigstellen müssen? • Im Wiederholungsfall stellt sich mir auch die Frage, ob die Sendung in dieser personellen Besetzung überhaupt tragbar ist. Es kann doch nicht sein, dass Herr Somm seine persönliche Befindlichkeit jenseits der gesellschaftlichen Normen von Anstand und Respekt ungefiltert und unwidersprochen auf einem (seinem) Kanal der SRG von sich geben darf. Wäre es nicht in der Verantwortung von Presse-TV und der SRG im Wiederholungsfall die Sendung abzusetzen oder zumindest Herrn Somm von der Teilnehme auszuschliessen?“

Stellungnahme Veranstalter

Die Beanstandung von Herrn X ist nach unserer Auffassung unbegründet. Zur Begründung unseres Standpunktes möchte ich auf folgende Punkte verweisen: • Herr X beanstandet in seinem Schreiben eine isolierte Aussage von Markus Somm. Dabei unterlässt er es, diese Aussage im Gesamtkontext der Diskussion wiederzugeben. Zunächst ist zu bemerken, dass in der gegenständlichen Sendung unter dem Titel «Strengeres Waffenrecht – mehr Sicherheit?» die Vorlage des Bundesrates zur Verschärfung des Schweizer Waffenrechts thematisiert wurde. Diese Vorlage sieht eine teilweise Anpassung des Schweizer Rechts an das EU-Waffenrecht vor. Der beanstandeten Aussage von Markus Somm geht der Hinweis des Moderators voraus, wonach die Vorlage des Bundesrates Ausnahmen der Verschärfung vorsieht. Markus Somm kommentiert diesen Hinweis in der Folge mit der Bemerkung, es handle sich bei diesen Ausnahmen einzig um Aussagen der zuständigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga, wobei bei solchen Vorschlägen des Bundesrats erfahrungsgemäss Vorsicht geboten sei, so die sinngemässe Aussage von Markus Somm. Weiter führt Markus Somm aus, der gleiche Bundesrat habe bei der Volksabstimmung über den Beitritt der Schweiz zum Schengen-Abkommen dem Stimmvolk gesagt, der Beitritt habe keine Auswirkungen auf das Waffenrecht. Auf diese Bemerkung folgt die beanstandete Aussage und folgende Ergänzung: «Jetzt haben wir den Salat. Diesem Bundesrat traue ich nicht. Ich will zuerst das Gesetz sehen.» • Aus dem Gesamtkontext der beanstandeten Aussage wird ersichtlich, dass die Aussage von Markus Somm nicht als Kritik oder gar als Beschimpfung des Schweizer Stimmvolkes zu verstehen ist, sondern vielmehr als Kritik am Bundesrat, welcher das Stimmvolk vor der Abstimmung über den Schengen-Beitritt nicht richtig informiert und damit bezüglich des Waffenrechts im Dunklen über die Auswirkungen einer Zustimmung gelassen hat. Nicht das Stimmvolk wird von Markus Somm kritisiert, sondern der Bundesrat, welcher das Stimmvolk «für dumm verkauft hat». • Die von Markus Somm vorgetragene Kritik ist zweifelsohne pointiert. Sie bewegt sich aber im üblichen Rahmen einer politischen TV-Diskussionssendung und ist in diesem Sinne auch nicht beleidigend oder übertrieben hart. Insbesondere ist in der Aussage auch nicht als Beschimpfung des Schweizer Stimmvolks aufzufassen, und sie zeugt auch nicht von einem mangelnden Respekt gegenüber dem Schweizer Stimmvolk und der Schweizer Demokratie, wie Herr X dies in seiner Beanstandung behauptet. • Nur der Vollständigkeit halber möchte ich ergänzen, dass die Beschwerde von Thomas X auch dann unbegründet wäre, wenn die Aussage von Markus Somm als Kritik am Schweizer Stimmvolk verstanden werden würde. Auch in einer TV-Sendung muss es möglich sein, seine Meinung frei zu äussern, selbst wenn diese pointiert ist und von einigen Zuschauern sogar als provokativ oder unpassend aufgefasst wird. Die Grenze der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsäusserungsfreiheit ist dann überschritten, wenn eine Person oder eine Gruppe von Personen aufgrund von persönlichen Eigenschaften diskriminiert oder verleumdet wird. Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein, selbst dann, wenn man die Aussage von Markus Somm als Kritik am Stimmvolk verstehen würde. Damit ist auch gesagt, dass sich eine so verstandene Aussage im Rahmen des gemäss Art. 4 RTVG Zulässigen bewegen würde, da sie als pointierter Kommentar erkennbar wäre und weder ein Verstoss der Menschenwürde darstellt, noch zu Rassenhass beitragen würde. • Im Weiteren möchte ich bemerken, dass der Aussage von Markus Somm ein kritischer Input meinerseits vorausging, mit welcher ich die These meines Gesprächsgasts – der Bundesrat sehe eine komplette Angleichung ans EU-Waffenrecht vor – infrage gestellt habe und, anschliessend an die pointierte Aussage, nochmals detailliert auf den Inhalt der gegenständlichen Vorlage des Bundesrates eingegangen bin. Für die Zuschauer der Sendung war demnach ohne weiteres klar, auf welchen Fakten die Aussagen meiner Gäste beruhen, und die Zuschauer waren frei, ihre Meinung zum Thema selbst zu bilden. Auch deshalb kann ich die Beanstandung von Herrn Huber inhaltlich nicht nachvollziehen. Insbesondere liegt keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebotes vor.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen komme ich als verantwortlicher Redaktor zum Schluss, dass die relevanten Rechtsbestimmungen durch die «Standpunkte Basler Zeitung» vom 3. Dezember 2017 nicht verletzt wurden.“

Bemerkungen des Ombudsmanns

In der Diskussionssendung der Basler Zeitung ging es um das Thema „Strengeres Waffenrecht – mehr Sicherheit?“. Diskutiert wurde die Vorlage des Bundesrates zur Verschärfung des Schweizer Waffenrecht. Die Diskussionssendung hinterliess bei mir insgesamt einen teilweise etwas chaotischen Eindruck. Dies wohl insbesondere deshalb, weil ein Gesprächsteilnehmer, Markus Somm, die Voten der anderen Gesprächsteilnehmer oftmals unterbrach und sie nicht ausreden liess.

Auch der Moderator wurde unterbrochen, so zum Beispiel in der von Ihnen beanstandeten Passage. Darin wollte der Moderator konkret auf die Vorschläge des Bundesrates in der Vernehmlassungsvorlage eingehen und nach dem Hinweis auf Ausnahmen zur EU-Regelung konnte er nicht einmal seine Frage an Herrn Somm formulieren. Dieser fiel ihm ins Wort und meinte, dass es sich bei den Ausnahmen zur EU-Gesetzgebung um Aussagen von Frau Sommaruga handle und der gleiche Bundesrat gesagt habe bei der Schengen-Abstimmung, dass diese überhaupt keine Auswirkungen auf das Waffenrecht habe und die dummen Schweizer zugestimmt hätten (wörtlich: „die dumme Schwiizer händ zuegstimmt“). Weiter erwähnte er, dass wir nun den Salat hätten und er diesem Bundesrat nicht traue.

Sie sind nun der Meinung, dass die Aussage von Herrn Somm „die dumme Schwiizer händ zuegstimmt“ pauschal und undifferenziert ein ganzes Volk als dumm und insofern rassistisch bezeichnet. Die respektlos-abwertende Bezeichnung der Schweizer Stimmvolks als „dumm“ verstosse gegen grundlegende gesellschaftliche Regeln von Anstand und Respekt und sei daher als unsittlich zu bezeichnen. In der Stellungnahme des Veranstalters wird davon ausgegangen, dass Herr Somm nicht das Stimmvolk kritisierte, sondern den Bundesrat, welcher das Stimmvolk „für dumm verkauft hat“.

Der Interpretation des Veranstalters kann ich nicht folgen. Wäre das die Aussage von Herrn Somm gewesen, so hätte er dies auch so gesagt. Klar kritisierte er den Bundesrat, dem man - gemäss seinen Aussagen - nicht trauen könne. Er kritisierte aber auch das Schweizer Volk, welches bei der Schengen-Abstimmung dem Bundesrat geglaubt hat und eben und als „dumme Schwiizer“ der damaligen Vorlage zugestimmt hätten. Ich interpretiere die Aussage dahingehend, dass das Schweizer Volk dumm gewesen sei, nicht gemerkt zu haben, vom Bundesrat als dumm verkauft geworden zu sein. Hierbei handelt es sich um eine klare Meinungsäusserung eines Diskussionsteilnehmers, dessen politische Einordnung allgemein bekannt sein dürfte. Aus meiner Sicht konnte sich der Zuschauer und die Zuschauerin aber ein genügend klares Bild darüber machen, wie die Aussage von Herrn Somm zu verstehen war. Es ging ihm darum darzulegen, dass seiner Meinung nach das Volk schon einmal (Schengen-Abstimmung) falsch abstimmte und es nun beim Waffengesetz genauer hinschauen solle.

Die Aussage „dumme Schwiizer“ ist zweifelsohne pointiert und auch despektierlich gegenüber dem Schweizer Volk zu verstehen, zumal Herr Somm in der Diskussion selber immer wieder die Bedeutung der Demokratie und des Selbstbestimmungsrechts der Schweizer Bürgerinnen und Bürger betonte. Dass solche Äusserungen in einer hitzigen Diskussion, wie sie in dieser Sendung erfolgte, geäussert werden, liegt auf der Hand. Trotzdem bin ich der Meinung, dass der Moderator nach diesen Äusserungen hätte eingreifen sollen, um zumindest diese Aussage von Herrn Somm zu relativieren. Ich betrachte aber diese Äusserung sowie die Nicht-Reaktion des Moderators im Gesamtzusammenhang und im Rahmen der gesamten Diskussionssendung nicht als einen besonders schweren Mangel. Wie bereits zu Beginn erwähnt bin ich aber auch der Meinung, dass von Seiten der Moderation her mehr in den Diskussionsverlauf hätte eingegriffen werden müssen, damit dieser geordneter und ohne dauernde Unterbrechungen seitens eines Diskussionsgastes hätte geführt werden können.

Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Oliver Sidler Ombudsmann

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