Beanstandung der Sendung Talkradio (Interview mit N. Rimoldi) vom 4. September 2021 - Radio 1

Schlussbericht des Ombudsmanns

Sehr geehrte Frau X

Ihre Beanstandung vom 15. November 2021 habe ich erhalten und am Folgetag die Chefredaktion von Radio 1 zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 17. November 2021 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.

Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angehört, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.

Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.

Beanstandung

„Ich möchte eine Beanstandung einreichen zum Interview von Roger Schawinski mit Co-Präsident Mass-voll Nicolas A.Rimoldi. Dies wurde am 4.11.2021 auf Radio1 ausgestrahlt.

Art.4 RTVG Grundrechte und Menschenwürde Der Moderator Roger Schawinski verletzt die Grundrechte und Menschenwürde von Herr Rimoldi. Er erfragt ihn nach seinem Impfstatus zu SARS Covid 2/19 während dem Interview. Die Verabschiedung mit der Äusserung "Bleiben sie gesund obwohl sie nicht geimpft sind" ist diskriminierend gegenüber Herr Rimoldi.

Art.4 RTVG Sachgerechtigkeitgebots Der Moderator sagte die Polizei /Behörden müssen das Covid Gesetz durchsetzen. In der zweiten Aussage äussert er, dass die Abstimmung zuerst gemacht werden muss. Anschliessend kann man herausfinden ob das Zertifikat legal oder illegal ist. Der Moderator widerspricht sich während dem Interview selbst. Der Sachverhalt wurde nicht richtig dargestellt von Herr Schawinski.

Art.4 RTVG Transparenzgebot Herr Schawinski lässt Herr Rimoldi nicht aussprechen. Er unterbricht ihn mehrmals während dem Interview, über das Geschehnis der Walliser Kanne im Kanton Wallis. Wie auch während der Verabschiedung.

Aus diesen Drei Gründen muss dass Interview schnellstmöglich wiederholt werden. Unter der Berücksichtigung des Bundes Gesetz über Radio und Fernsehen RTVG gestützt auf die Artikel 71, 92 und 93 der Bundesverfassung.“

Stellungnahme Veranstalter

„Die Grundrechte und die Menschenwürde gemäss Art. 4 RTVG wurden in keinem Punkt verletzt. Der Impfstatus von Herrn Rimoldi ist unter dem Eindruck seiner Aktivitäten relevant. Diese Information hilft den Hörerinnen und Hörern bei der Meinungsbildung und richtigen Einschätzung/Einordnung der Aktivitäten von Rimoldi und Mass-Voll. Ausserdem war Rimoldi zu keinem Zeitpunkt verpflichtet, seinen Impfstatus preiszugeben. Er hätte die Aussage auch jederzeit verweigern können.   Auch die Verabschiedung mit der Aussage: „Bleiben Sie gesund obwohl Sie nicht geimpft sind“, erachten wir als legitim. Sie entspricht dem aktuellen Wissensstand rund um Covid, entspricht aufgrund der Fakten unserer Überzeugung und war zudem durchaus ernst gemeint.       Auch der zweite beanstandete Punkt weisen wir vollumfänglich zurück. Die Polizei/Behörden sind verpflichtet, die beschlossenen Sicherheitsmassnahmen durchzusetzen. Und es ist nachweislich auch richtig, dass das Covid Gesetz zuerst von der Stimmbevölkerung angenommen oder abgelehnt werden muss. Der eine Punkt schliesst den anderen nicht aus. Der Sachverhalt wurde von Roger Schawinski jederzeit richtig dargestellt.   Und auch beim dritten beanstandeten Punkt sind wir klar der Meinung, dass Herr Rimoldi seine Sicht mehr als genug und ununterbrochen darlegen konnte. Dass in einem kritischen, journalistisch geführten Interview Aussagen hinterfragt werden und Abschweifungen unterbrochen werden, ist der Sinn und Auftrag einer Informations-Sendung. Auch diesen Punkt weisen wir vollumfänglich zurück.“  

Einschätzung des Ombudsmanns

Das von Ihnen beanstandete Interview wurde im Rahmen des Sendegefässes „Talkradio“ zum Thema Coronoa-Virus und Impfung am 4. November 2021 ausgestrahlt. Zu Wort kommen während rund zwei Stunden Hörerinnen und Hörer wie auch verschiedene Expertinnen und Experten.

Im Interview von Roger Schawinski mit Nicolas A. Rimoldi (Gründer und Co-Präsident der Bewegung „Mass-Voll“) geht es zunächst um die Vorkommnisse beim Restaurant „Walliserkanne“ in Zermatt und der Prüfung von Zertifikaten durch die Wirte, anschliessend wird auf das bevorstehende Referendum eingegangen. Herr Rimoldi betont wiederholt, dass die Zertifikatspflicht diskriminierend sei und einzelne Unternehmen ihren Angestellten verbieten, ohne Zertifikat zur Arbeit zu gehen. Roger Schawinski fragt weiter nach der Wirkung der Demonstrationen, die kontraproduktiv wirken könnten und ob Herr Rimoldi zu wenig extrem sei (wie in eigenen Kreisen kritisiert werde). Er gibt Herrn Rimoldi genügend Zeit, zu antworten und greift auch dann nicht ein, wenn sein Interviewpartner von der eigentlichen Frage abweicht und allgemeine Statements zur Rechtswidrigkeit der Massnahmen, da alle Impfwilligen in der Zwischenzeit geimpft seien, abgibt. Herr Schawinski fragt nach dem Impfstatus von Herrn Rimoldi, worauf dieser mit Nein antwortet und auf die Folgen der Zertifikatspflicht in anderen Ländern hinweist. Zum Schluss geht es um die Frage der Überzeugungsstrategie der Unentschlossenen kurz vor der Abstimmung. Bei der Verabschiedung wünscht der Moderator seinem Interviewpartner, dass er auch ohne Impfung gesund bleiben solle. Herr Rimoldi reagierte mit einem „ebenso“.

Sie erachten die Verabschiedung wie auch die Frage nach dem Impfstatus von Herrn Rimoldi als diskriminierend und sehen darin eine Verletzung der Grundrechte und Menschenwürde des Interviewpartners von Roger Schawinski. Inwieweit Herr Rimoldi durch die Frage und die Verabschiedung benachteiligt oder verächtlich gemacht wurde (eben „diskriminiert“ im allgemeinen Sinne), lässt sich nicht meines Erachtens überhaupt nicht erschliessen. Herr Rimoldi, der wortgewandt in der Öffentlichkeit auftritt, verweigerte die Antwort nicht. Die Frage darf einer Person, welche in der Öffentlichkeit gegen die Impfung auftritt, gestellt werden. Die Frage wurde im Rahmen der Sendung, bei der es (auch) um die Impfung ging, weiteren Personen gestellt. Eine Verletzung der Menschenwürde, welche bei einer Diskriminierung den Ausschluss oder die Marginalisierung der Betroffenen zur Folge oder zum Ziel hat, ist ebenfalls keineswegs gegeben. Das verfassungsrechtliche statuierte Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) knüpft an Unterscheidungsmerkmalen an, die einen wesentlichen und nicht oder nur schwer aufgebbaren Bestandteil der Identität der betroffenen Personen ausmachen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1D_6/2018 vom 3.5.2019). Die Frage nach dem Impfstatus einer Person ist davon nicht erfasst.

Beim Thema „Walliserkanne“ verwies Herr Schawinski im Anschluss an Rimoldis Aussage, wonach sich die Wirte mit der Nichtbefolgung der Zertifikatsprüfungspflicht weigerten, Grundrechte zu verletzen und Menschen zu diskriminieren, darauf, dass die Behörden die Gesetze (Prüfungspflicht der Zertifikate) doch durchsetzen müssten. Rimoldi antwortete, dass die Zertifikatspflicht illegal sei (keine gesetzliche Grundlage, nicht verhältnismässig) und Schawinski erwiderte, dass darüber ja bald abgestimmt werden könne. Mit der Abstimmung könne herausgefunden werden, ob das (die Zertifikatspflicht) illegal sei oder nicht. Die Wortwahl (legal oder nicht) von Herrn Schawinski reihte sich an das Votum von Herrn Rimoldi (die Zertifikatspflicht ist illegal) an und war sicherlich nicht ganz wohlbedacht. Für den Zuhörer und die Zuhörerin war aber klar erkennbar, dass der Moderator damit die Möglichkeit der Bevölkerung meinte, über das Covid-Gesetz abzustimmen und damit über die gesetzliche Grundlage für die Zertifikatspflicht. Insofern erkenne ich keinen Widerspruch in der Argumentation von Roger Schawinski.

Schliesslich sehen Sie eine Verletzung des Transparenzgebots, weil Herr Schawinski seinen Interviewpartner im Teil zur „Walliserkanne“ und auch bei der Verabschiedung immer wieder unterbrach. Die Interventionen von Herrn Schawinski zu den Äusserungen seines Interviewpartners erachte ich als angebracht, insbesondere dann, als es um die Frage der Rechtsdurchsetzung von geltenden Gesetzen ging. Bei der Verabschiedung konnte ich nicht feststellen, dass Herr Rimoldi mehrmals unterbrochen wurde. Herr Rimoldi konnte ein Schlussstatement abgeben.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass das rund sieben Minuten dauernde Interview mit Herrn Rimoldi programmrechtskonform geführt wurde und der Interviewgast von Herrn Schawinski weder in seiner Menschenwürde noch in seinen Grundrechten verletzt wurde. Die Fragen waren fair und der - selber wortgewandte - Gast erhielt ausreichend Gelegenheit zum Antworten.

Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Oliver Sidler Ombudsmann

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