Sunrise - MySports Playoff-Sendung vom 16. April 2023

Beanstandung der Sendung MySports Playoff-Sendung vom 16. April 2023 - Sunrise

Schlussbericht des Ombudsmanns

Sehr geehrte Frau X

Ihre Beanstandung vom 17. April 2023 habe ich erhalten und am 20. April 2023 die Chefredaktion von MySports (Sunrise GmbH) zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 27. April 2023 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.

Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angesehen, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.

Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.

1. Beanstandung

«In der MySports Sendung Playoffs vom 16.04.2023 wurde mind. zwei Mal ein sexistischer Kommentar durch Hockey Experte Sven Helfenstein geäussert.

Als ein Eishockeyspieler in Unterwäsche gezeigt wurde in der Drittelspause, hat Herr Helfenstein die Moderatorin darauf angesprochen, ob sie sich nun noch konzentrieren könnte. Auch im späteren Verlauf der Sendung hat Herr Helfenstein die Moderatorin erneut darauf angesprochen, ob es ihr vielleicht ein wenig zu heiss wurde aufgrund des Hockeyspielers in Unterwäsche.

Beide Kommentare sind alles andere als angebracht. Leider ist dies nicht der erste unpassende Kommentar von Herr Helfenstein in diesem Format.»

2. Stellungnahme Veranstalter

«Als Sportfernsehsender mit dem Schwerpunkt Eishockey bedienen wir eine breite Zielgruppe und sind stets bestrebt, mit unseren Sendungen möglichst alle Interessens- und Altersgruppen sowie Geschlechter anzusprechen. Eine Sportsendung ist dabei nebst dem Informationsgehalt immer auch Unterhaltung für die Zuschauerinnen und Zuschauer. Im Studio mit den Schaltungen vor dem Spiel, während der Pausen und der Analyse nach dem Spiel wird jeweils ein Spiel analysiert und verarbeitet in einer Diskussion zwischen dem Moderator und seinen Gästen (Experten). Dabei versuchen die Moderatoren und Gäste auch immer Themen neben dem Spiel aufzugreifen oder aufkommende Szenen spontan und teils humorvoll zu kommentieren.

Wir bedauern sehr, dass die Beanstanderin die Aussagen unseres Experten als sexistischen Kommentar empfunden hat. Wir nehmen solche Bedenken sehr ernst und sind gerade als Sportsender in einer eher männlich dominierten Domäne sehr sensibel für solche Themen. Wir sind jedoch überzeugt, dass wir in der beanstandeten Sendung unserem hohen Anspruch an journalistische Qualität und neutrale Unterhaltung stets gerecht geworden sind, ohne eine diskriminierende, abwertende oder sexistische Schwelle überschritten zu haben.

Zur einfacheren Durchsicht der Sendung verweisen wir auf die folgenden relevanten Szenen in der Sendung mit Zeitangabe. Im Anhang dieses Briefes findet sich zudem eine sinngemässe Transkription.

(A) 2. Drittelpause - Schaltung Garderobengang (1:42:05 - 1:43:03)

(B) Spielanalyse - Spruch zur Szene mit Damien Brunner (2:26:44 - 2:27:07)

(C) Interview mit Damien Brunner und anschliessende Analyse (2:30:00 - 2:32:05)

Hervorzuheben ist, dass während dem gesamten Gespräch über die spontane Szene mit Damien Brunner ein Schmunzeln auf den Gesichtern der Beteiligten zu sehen ist und offensichtlich ein humorvoller neckischer Austausch stattfindet.

(A) Die Diskussion wurde dabei von der Moderatorin selbst angestossen, die gekonnt und clever vom Reporter vor Ort zurück ins Studio wechselte mit den aufgegriffenen Worten «es lohnt sich definitiv [...] die Augen offen zu halten». Daraufhin entwickelte sich das zu jeder Zeit als humorvoll erkenntliche Gespräch zwischen der Moderatorin und dem Experten. Das Gespräch war keineswegs gesucht oder aufgedrängt, es entwickelte sich aus der Situation. Dabei ist auch zu beachten, dass es sich um eine Live-Sendung handelt und eine Reaktion der Moderatoren, Kommentatoren oder Experten auf die gezeigten Szenen innerhalb weniger Sekunden erwartet wird. Gerade unter diesem Gesichtspunkt hat das Team im Studio einen hervorragenden Job gemacht, indem es die Situationskomik aufgenommen aber dann auch wieder sachlich auf das Spiel fokussiert hat.

(B) In der Spielanalyse zum Schluss wird dann nochmals kurz auf die genannte Szene verwiesen worauf sich erneut ein kurzer schelmischer Austausch zwischen Moderatorin und Experte entwickelt. Die Aussagen des Experten waren unserer Ansicht nach auch dabei immer in den Grenzen des anständigen Verhaltens und verletzten keine geltenden Grundsätze.

(C) Auf die Szene mit dem Interview wird deshalb verwiesen, weil dies nochmals exemplarisch aufzeigt, dass das Team im Studio die Szene trotz Frage dazu im Interview nicht nochmals unnötig aufgenommen, sondern sachlich über den Spieler und dessen Leistung diskutiert hat.

Es bleibt festzuhalten, die Äusserungen des Experten waren weder diskriminierend, noch enthielten sie negative Werturteile gegenüber einem Geschlecht oder hatten einen herablassenden Charakter. Die Äusserungen waren im Kontext der Situation mit den gezeigten Bildern des Eishockeyspielers im Garderobengang klar als humorvoll und witzig erkenntlich. Wir sehen daher keine Verletzung von Art. 4 RTVG.

Nichtsdestotrotz haben wir die Szenen intern im Team besprochen und verfolgen auch in Zukunft unsere hohen Ansprüche durch offene und transparente Kommunikation innerhalb des Teams.»

3. Einschätzung des Ombudsmanns

Ihre Beanstandung dreht sich um Kommentare zu einer Szene in der zweiten Drittelspause, in welcher Aufnahmen vom Gang der Garderobe gezeigt wurden. Zu sehen war unter anderem ein Spieler, der einen Teil seiner Ausrüstung ausgezogen hat und mit T-Shirt und Unterhose vom Gang in die Garderobe lief und kurz in die Kamera lachte und winkte. Der Reporter wies auf diesen Spieler und dessen übliches Ritual in den Pausen hin. Die Moderatorin meinte anschliessend, dass es sich definitiv lohne, dort unten die Augen offen zu lassen. Der Experte fragte, ob sie (die Moderatorin) noch reden, noch moderieren könne. Sie antwortete «problemlos» und stellte die gleiche Frage dem Experten, der antwortete, dass er keine Probleme habe, aber der eine oder andere da draussen sei vielleicht schon etwas nervös geworden. In der Spielanalyse am Schluss der Sendung ist der Experte noch einmal auf diese Szene («Striptease») zurückgekommen und bemerkte, dass er davon ausging, dass es die Moderatorin fast heisser gemacht habe als ihn und dass es wohl umgekehrt gewesen sei. Die Moderatorin reagierte, dass dies eine falsche Interpretation sei und dass sie mit drei Buben daheim nicht so schnell nervös werde.

Sendungen dürfen nicht diskriminierend sein (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 RTVG). Pauschalurteile gegen Menschen oder eine Ausgrenzung aufgrund von bestimmten Merkmalen verbietet diese Bestimmung, die sich aus Art. 8 Abs. 2 BV ableitet (UBI-Entscheide b. 704/705 vom 5. Juni 2015 und b. 524 vom 21. April 2006). Gemäss Art. 4 Abs. 1 Satz 2 RTVG haben Sendungen zudem die Menschwürde zu achten und dürfen nicht die öffentliche Sittlichkeit gefährden. Für das Bundesgericht betrifft die Menschenwürde «das letztlich nicht fassbare Eigentliche des Menschen und der Menschen und ist unter Mitbeachtung kollektiver Anschauungen ausgerichtet auf Anerkennung des Einzelnen in seiner eigenen Werthaftigkeit und individuellen Einzig- und allfälligen Andersartigkeit» (BGE 132 I 49 E. 5.1 S. 55). Menschen sollen respektvoll und nicht als blosses Objekt behandelt werden. Aus rundfunkrechtlicher Sicht sind die unnötige Blossstellung, das Lächerlichmachen oder erniedrigende Darstellungen von Personen verboten (vgl. UBI-Entscheid b. 448 vom 15. März 2002).

Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 RTVG oder eine Verletzung der Jugendschutzbestimmungen nach Art. 5 RTVG vermag ich nicht zu erblicken, denn es wurde mit den gezeigten Bildern und den Kommentaren Sexualität nicht in unangemessener Weise hervorgehoben.

Die Kommentare zum gezeigten Spieler in Unterhose waren für den Zuschauer und die Zuschauerin als humoristische Einlage erkennbar, auch wenn es sich bei der Spielberichterstattung und der Zusammenfassung des Eishockeyspiels klar nicht um eine satirische Sendung handelte. Thematisiert wurde die Aufnahme des Spielers in Unterhose und T-Shirt und dessen Wirkung auf die Moderatorin im Speziellen und die Zuschauerinnen und Zuschauer im Allgemeinen. Der dargestellte Spieler wurde nicht herabgesetzt oder lächerlich gemacht, aber seine möglicherweise aufreizende Wirkung auf die Moderatorin kommentiert. Es waren keine das Geschlecht des Mannes pauschal herabwürdigende Sequenzen. Die Thematisierung und Kommentierung der möglicherweise aufreizenden Wirkung der Bilder auf die Moderatorin stellen geschlechterstereotype und vorurteilsbehaftete Überzeugungen und Einstellungen in den Vordergrund. Dabei ist unbeachtlich, dass die Moderatorin selbst die Äusserungen des Experten erst ermöglichte, indem sie auf den lohnenden Blick in den Gang bei den Kabinen hinwies. Jedoch reduzierte der Experte mit seinen Bemerkungen die Moderatorin auf ihre Sexualität und rief damit eine Blossstellung hervor, welche die Moderatorin jeweils professionell zu kontern vermochte. Gerade diese Reaktion der Moderatorin (insbesondere auch die Rückfrage „Problemlos, kannst du auch noch [reden, moderieren]?») auf die plumpen und eher dümmlichen Äusserungen des Experten vermochten die Darstellung etwas zu relativieren. Aus meiner Sicht verstossen die sicherlich unangemessenen und geschmacklosen Bemerkungen des Experten gerade noch nicht gegen Art. 4 Abs. 1 Satz 2 RTVG.

Der Veranstalter hat gemäss seiner Stellungnahme «die Szenen intern im Team besprochen und [verfolgt] auch in Zukunft unsere hohen Ansprüche durch offene und transparente Kommunikation innerhalb des Teams». Dieser Aussage entnehme ich keine konkreten Ergebnisse der Besprechung zur beanstandeten Szene und empfehle (vgl. Art. 93 Abs. 1 Bst. c RTVG) deshalb der Redaktion, die beanstandete Szene wie auch diesen Schlussbericht zusammen mit dem Moderations- und Expertenteam zu diskutieren und mich anschliessend über die Ergebnisse kurz zu informieren.

Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Oliver Sidler Ombudsmann