Beanstandung der Nachrichtensendung vom 8. Mai 2021 - Radio Energy

Schlussbericht des Ombudsmanns

Sehr geehrter Herr X

Ihre Beanstandung vom 12. Mai 2021 habe ich am 14. Mai 2021 der Chefredaktion Energy Zürich AG zur Stellungnahme zugestellt. Mit Schreiben vom 21 . Mai 2021 ist die Stellungnahme bei mir eingetroffen.

Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angehört , die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.

Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.

Beanstandung

„Am letzten Samstag habe ich um 13:30 Uhr bei Radio Energy Zürich die 13:30-Uhr Nachrichten gehört. Bei einer Meldung ging es um die unbewilligte Demonstration gegen die Coronamassnahmen des Bundes in Aarau. Dabei bezeichnete die Sprecherin die Menschen, die an die Demo gingen als "Coronaignoranten". Ich finde diese Bezeichnung sehr erniedrigend und beleidigend. Zumal ich davon ausgehe, dass eine Nachrichtensendung dazu da ist, um Nachrichten zu verbreiten und die Bevölkerung zu informieren und nicht um zu werten und die Meinung des Sprechers und/oder der Radioanstalt zu verbreiten.

Zur Info: Ich war selber nicht an der Demonstration und ich zweifle nicht an der Existenz des Coronavirus.”

Stellungnahme Veranstalter

„Der Begriff “Corona-lgnoranten” wurde in der beanstandeten News-Meldung am Samstag, 8 .Mai 2021 um 13.00 Uhr als Synonym für das abgeschwächte Wort “Corona-Skeptiker” benutzt.

Aus unserer Sicht beschreibt der Begriff “lgnoranten”, all die Menschen, die an der Demo in Aarau und auch an den vorangegangenen Corona-Kundgebungen in der Schweiz teilgenommen haben, sehr treffend. “lgnorant” ist das Substantiv des Wortes “ignorieren”. Dieser Begriff bedeutet gemäss Duden “absichtlich übersehen, übergehen, nicht beachten”. Aus objektiver Sicht machen die Menschen, die an den unbewilligten Corona-Demonstrationen teilnehmen, genau das. Einerseits missachten sie das Demonstrationsverbot, welches wegen Corona vielerorts gilt - respektive die Tatsache, dass ihre Demo von den Behörden nicht bewilligt wurde. Andererseits halten sie sich nicht an die Maskenpflicht oder Abstandsregeln, die der Bundesrat für grössere Menschenansammlungen angeordnet hat.

Von daher hat der Ausdruck keinen wertenden, sondern einen beschreibenden Charakter. lm Übrigen ist der Begriff “Corona-lgnoranten, keine Eigen-Kreation von Energy. Der Begriff taucht bei einer Suchanfrage in der Schweizerischen Mediendatenbank (SMD) über 150 Mal auf.“

Einschätzung des Ombudsmanns

Wie Sie auch der Stellungnahme des Veranstalters entnehmen können, wurde die von Ihnen beanstandete Nachrichtensendung am 8. Mai 2021 nicht um 13.30 Uhr, sondern um 13.00 Uhr ausgestrahlt.

Bei dem von Ihnen beanstandeten Teil der Nachrichtensendung wurde über die Massnahmen der Polizei in Bezug auf die angekündigten “Corona-Skeptiker-Demonstrationen” in Aarau und Wettingen vom 8. Mai 2021 berichtet. Sie beanstanden den im letzten Satz der Meldung verwendeten Begriff “Corona-Ignoranten”. Dieser letzte Satz lautete im Wortlaut in der deutschen Übersetzung wie folgt: “Die Behörden bewilligten die Demonstration nicht; sie gehen aber davon aus, dass trotzdem mehrere tausend Corona-Ignoranten auftauchen”.

Die Bezeichnung “Corona-Ignoranten” ist nicht neu und wurde vor allem zu Beginn der Pandemie oft verwendet für Personen, welche die Existenz des Covid-19-Virus negierten oder sich ablehnend oder kritisch gegenüber den getroffenen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie äusserten. In letzter Zeit hat sich der Begriff “Massnahmen-Kritiker” zur Bezeichnung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den vorwiegend unbewilligten Demonstrationen eingebürgert. Als “Ignorant” oder “Ignorantin” wird gemäss Duden (Duden-Online) eine tadelnswert unwissende Person bezeichnet. Eine Person, die etwas nicht wissen will oder nicht beachtet. Der Begriff ist eher negativ besetzt und trifft vorliegend wohl auf Personen, die Verschwörungstheorien zu Corona verbreiten oder daran glauben, zu. Auch bei den “Massnahmen-Kritikern” gibt es wohl solche Personen.

Die Verwendung des Begriffs “Corona-Ignoranten” für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der unbewilligten Demonstrationen vom 8. Mai 2021 dürfte somit nicht ganz treffend sein, ist aber nicht “sehr erniedrigend und beleidigend”. Gerade die Tatsache, dass sich an den unbewilligten Demonstrationen Personen mit unterschiedlichen Haltungen zur Coronoa-Problematik aufhalten, lässt eine strikte Trennung von “Corona-Ignoranten” oder “Corona-Massnahmen-Skeptikern” kaum zu. Eine Programmrechtsverletzung kann ich im vorliegenden Fall nicht erkennen. Ich empfehle dem Veranstalter jedoch, bei der Begriffswahl - gerade bei Nachrichtenmeldungen - etwas vorsichtiger zu sein.

Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Oliver Sidler Ombudsmann