Beanstandung der Sendung „Talk“ vom 22. April 2020 - Telebasel
Schlussbericht des Ombudsmanns
Sehr geehrter Herr X (…) Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angesehen, die Stellungnahme des Rechtsvertreters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.
Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.
Beanstandung 1
"Der Beitrag widerspricht meines Erachtens nach allen Regeln der journalistischen Sorgfalt: In einem Gespräch (die Sendung heisst „Talk“) müssen Meinungen ausgetauscht werden können.
Der Gesprächsführer in diesem Beitrag hat gegen diese einfache, grundsätzliche Regel der Gesprächsführung – durch einen aggressiven Monolog – verstossen.“
Beanstandung 2
„Die beanstandete Sendung «Talk» löste wegen dem Moderationsstil, der Dominanz und Arroganz von Moderator Michael Bornhäusser ein grosses Medienecho, heftige Reaktionen und ein Shitstorm in den Sozialen Medien aus (siehe am Schluss der Beschwerde die Zusammenstellung „Medienecho und Shitstorm»). Kritik erntete aber auch die Redaktion von Telebasel und die Stiftung Telebasel als Veranstalter, weil der Moderator nicht ein Mitglied der Redaktion ist, sondern in einer einmaligen Ämterkumulation sowohl Mitglied des Stiftungsrates ist, Mitglied des führenden Ausschusses und Chief Executive Officer ist und seine Firma stellt auch noch den Buchhalter und Sekretär der Geschäftsleitung. Bornhäusser war zudem federführend beim Relaunch des Basler Lokal-TVs und der Digitalisierungs-Offensive. Er ist bekannt dafür, dass er auch im Umgang mit der Redaktion so arrogant auftritt wie in der beanstandeten «Talk»-Sendung. Als Stiftungsrat greift er jeweils direkt in die Redaktionsabläufe, gibt Direktiven durch, welche Themen aufzugreifen sind und wie. Mehrere Redaktionsmitglieder haben sich auch schon bei der Programmkommission von Telebasel beschwert. Einige wichtige Redaktorinnen und Redaktoren haben wegen des Führungsstils und dem Eingriff eines Stiftungsrates in die redaktionelle Freiheit. Dieses Verhalten eines dominanten Mitglieds des Veranstalters verstösst gegen die Konzession des Bundesamtes für Kommunikation und gegen die Rechten und Pflichten des Schweizerischen Presserates. Die Machtballung von Michael Bornhäusser in drei Gremien des Veranstalters – Stiftungsrat, Ausschuss des Stiftungsrates und CEO der Geschäftsleitung – ist ein grober Verstoss gegen Good Governance oder noch klarer der Gipfel der Bad Governance. In Kommentaren und in den Medien wurde Michael Bornhäusser aufgefordert, von sämtlichen Funktionen bei Telebasel zurückzutreten, einerseits wegen seinen kumulierten Funktionen, weil er ins Redaktionsgeschehen eingrifft und weil diese Talksendung «jenseits von Gut und Böse» war.“
Es folgen Ausführungen zur Beurteilung gemäss der Erklärung und die Richtlinien des schweizerischen Presserats sowie zum Medienecho zur Sendung.
Auf die Aufforderung des Ombudsmanns zur Begründung der Beanstandung nach programmrechtlichen Gesichtspunkten äusserte sich der Beanstander wie folgt (auf die in der Beanstandung wiedergegebenen Rechtsnormen wird im Folgenden verzichtet):
„Die sachgerechte Darstellung in einem Gefäss wie der «Talk» von «Telebasel» erfordert als Grundprinzip, dass der Gesprächspartner seine Sicht der Tatsachen und Ereignisse ungehindert schildern kann. Die eigenen Ansichten des Moderators müssten vom Publikum erkennbar und von seinen Kommentaren getrennt sein. Der Verlauf der «Talk»-Sendung vom 22. April 2020 und die Art und Weise des Umgangs von Moderator Michael Bornhäuser mit seinem Gast ist eine grobe Verletzung der vom RTVG geforderte Sachgerechtigkeit. Dem Publikum war es nicht möglich, sich eine eigene Meinung zu bilden über den Interviewten Ueli Vischer, weil der Moderator ihn nicht ausreden liess, ihn unterbrach und zurechtwies, dass das nicht stimme, was er sagt. Der Moderator Bornhäusser pflegte keinen sachgerechten Interview- oder Gesprächsstil, sondern wollte ihn einfach fertigmachen und blossstellen als schlechter Verwaltungsratspräsident. Die Kommentare auf der Homepage des Veranstalters «Telebasel» zeigten klar, dass der Moderator mit nicht sachgerechter Arroganz und Überheblichkeit das Gespräch führte. Das bleiche Bild zeigt sich bei den Beträgen in den Sozialen Medien. Bornhäusser wollte vorsätzlich Ueli Vischer «auseinandernehmen», schlecht machen und als unfähig darstellen. Der Moderator vermischte eigene Ansichten und Kommentare, nicht erkennbar für das Publikum, das sich am Ende der Sendung zwar eine eigene Meinung bilden konnte, aber nicht über den geladenen Gast Ueli Vischer, sondern über den Moderator, der beim Publikum ein Eigengoal schoss, wie auch die vielen Reaktionen in den Sozialen Medien zeigte. Nicht sachgerecht bei einem Interview oder auch in einem Gespräch ist die Tatsache, dass der Moderator Bornhäuser exakt die gleich lange Dauer redete wie der Interviewte Vischer.
Durch den dominanten und arroganten Ansatz des Moderators kam die geforderte Vielfalt der Ansichten zu diesem Thema nicht zustande, da primär der Moderator Bornhäuser seine vorgefasste Meinung zur Geltung brachte. Die «Talk»-Sendung verletzte damit die inhaltlichen Grundsätze des RTVG bezüglich Mindestanforderungen an den Programminhalt und die Vielfalt der Ansichten.
Das Verhältnis zwischen der Redaktion des Programmveranstalters und der Unternehmensleitung oder in diesem Fall dem Stiftungsrat ist vergleichbar mit der Rolle und Aufgabe eines Verlegers bei Zeitungen. Weder der Stiftungsrat noch die Unternehmensleitung hat ein Weisungsrecht gegenüber der Redaktion und darf deshalb auch nicht Einfluss nehmen auf die Programmgestaltung oder die Themenauswahl. Im beanstandeten Fall hat mit Michael Bornhäuser ein Stiftungsrat und der Geschäftsführer des Senders in Personalunion in die Autonomie der Redaktion des Programmveranstalters eingegriffen, in dem er das Thema und den Gast bestimmte und sich dann erst noch als Moderator auserkoren hat. Auch hier liegt ein Verstoss gegen die Mindestanforderung an den Programminhalt vor, da die Autonomie der Reaktion verletzt wurde.
In der erneuerten «Konzession für ein Regionalfernsehen mit Leistungsauftrag und Abgabenanteil», erteilt durch das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK zugunsten der Stiftung Telebasel, Steinenschanze 2, 4051 Basel, gestützt auf Art. 38ff. und Art. 45 Abs. 1 bis des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG) sind in Artikel 5 der Programmauftrag und in Artikel 6 die Sicherstellung der Qualität vorgegeben. Ähnlich wie beim RTVG verlangt auch die Konzession von «Telebasel», dass eine Vielfalt an Meinungen und Interessen wiedergeben werden muss. Analog ist hier auch die Begründung, dass eine Verletzung der Konzessionsvorgaben vorliegt, weil so ein „Talk“-Gespräch von Michael Bornhäuser die Vielfalt der Meinungen und Interessen nicht gewährleistet wurde durch die Dominanz des Gesprächsführers/ Interviewers. Zur Qualitätssicherung zählt gemäss den Vorgaben der Konzession auch eine «Geschäftsordnung, aus der die Aufgabenverteilung und die Verantwortlichkeiten hervorgehen, sowie ein Leitbild, welches die Vorkehrungen zur Erfüllung des Leistungsauftrags beschreibt.» In dieser Geschäftsordnung müsste also die Aufgabenteilung zwischen Redaktion und der Geschäftsleitung sowie des Stiftungsrates geregelt sein mit entsprechenden Sicherungsmassnahmen zur Gewährleistung dieser klaren Aufgabenteilung: Redaktionelle Autonomie für die Redaktion, Geschäftsführung und Finanzen durch Geschäftsleitung und Aufsicht durch den Stiftungsrat. Die vier Funktionen von Michael Bornhäuser als Stiftungsrat, Mitglied der Delegation des Stiftungsrates, Geschäftsführer/CEO und redaktioneller Programmmitarbeiter als Moderator einer «Talk»-Sendung sind eine grobe Verletzung der Gewaltentrennung und der Good Governance und verletzten damit die Konzessionsvorgaben. Angesichts dieser klaren Qualitätsvorgaben kann in diesem Fall festgestellt werden, dass die in der Konzession geforderten «etablierten Mechanismen zur Sicherung bzw. Verbesserung der Programmqualität (Abnahmeprozesse, Feedback-Systeme usw.)» kläglich versagt haben. Nicht einmal die vorgeschriebenen Mindestanforderungen für die Sicherstellung der Qualität sind offensichtlich erfüllt, wenn so eine «Talk»-Sendung mit einem unausgebildeten Nicht-Journalisten als Moderator wie Michael Bornhäuser geplant und ausgestrahlt wird. Journalistische Standards für Gespräche und Interviews sind auf gröbste verletzt worden.“
Stellungnahme Veranstalter
Der Rechtsvertreter des Veranstalters hat bereits zu einer früheren Beanstandung der Sendung nachfolgend Stellung genommen. Die ergänzende Stellungnahme zu Ihrer Beanstandung wird am Schluss von Ziff. 2 dargestellt.
„Mit E-Mail vom 24. April 2020 hat sich (...) Bei Ihnen in Ihrer Funktion als Ombudsmann über die Sendung «Telebasel Talk vom 22. April 2020» beschwert. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass Telebasel mit der Ausstrahlung der Sendung das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt habe. Der Beitrag habe journalistische Sorgfaltspflicht nicht gewahrt, weil der Gesprächsführer durch einen aggressiven Monolog verunmöglicht hätte, dass Meinungen ausgetauscht würden.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das Sachgerechtigkeitsgebot im Sinne von Art. 4 Abs. 2 RTVG soll gewährleisten, dass dem Publikum aufgrund der in einer Sendung oder einem Beitrag angeführten Fakten und Ansichten ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt oder ein Thema vermittelt wird, sodass sich der Rezipient über das Thema frei eine eigene Meinung bilden kann (statt vieler: BGE 137 1 340). Umstrittene Aussagen sollen als solche erkennbar sein.
Auch der publizistischen Gestaltung einer Sendung ist bei der Beurteilung Rechnung zu tragen, worauf die Beschwerde offensichtlich abzielt. Die Gewährleistung der freien Meinungsbildung des Publikums erfordert die Einhaltung von zentralen journalistischen Sorgfaltspflichten (vgl. Urs Saxer/Florian Brunner, Rundfunkrecht – Das Recht von Radio und Fernsehen, in: Biaggini et al., Fachhandbuch Verwaltungsrecht, 2015, N. 7.104 ff., S. 312 ff.; Rudolf Mayr von Baldegg/Dominique Strebel, Medienrecht für die Praxis, 2018, 5. Auflage, S. 258 ff. mit weiteren Fundstellen). Der Umfang der gebotenen Sorgfalt hängt mitunter von den konkreten Umständen, dem Charakter des Sendegefässes sowie vom Vorwissen des Publikums ab (BGE 131 II 253).
Die Anforderungen an die Sachgerechtigkeit sind bei Diskussions- und Gesprächssendungen weniger hoch als bei rein redaktionell aufbereiteten Formaten. Es muss insbesondere genügend Raum für eine spontane Entwicklung der Diskussion bestehen (BGE 139 II 519). Zudem darf beim Beizug journalistischer Sorgfaltspflichten als rundfunkrechtliche Bemessungsgrundlage niemals ausser Acht gelassen werden, dass das RTVG in Bezug auf das Sachgerechtigkeitsgebot einzig zum Ziel hat, dem Zuschauer zu ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Der Ombudsmann stellt indes keine Beschwerdeinstanz für rein medienethische Fragestellungen dar. Oder anders ausgedrückt: Die Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten muss kausal zur Missachtung des Sachgerechtigkeitsgebots sein.
Diese vorstehend beschriebene Praxis gilt insbesondere für die Sendung «Talk» auf Telebasel. Der Name «Talk» sagt bereits aus, dass es sich um ein Gespräch handeln wird – und nicht etwa ein zurückhaltend geführtes Interview, wie z.B. bei einem Format namens «Nachgefragt». Das Zielpublikum dieser Sendung ist zudem überdurchschnittlich an lokalen politischen und wirtschaftlichen Ereignissen interessiert. Der lässt somit ein solches Gespräch grundsätzlich zu. Die Thematik um die Messe in Basel hat in den Tagen vor Ausstrahlung der Sendung – neben Corona – die Agenda der lokalen und nationalen Medien dominiert. Die Messe ist für zahlreiche Basler Wirtschaftszweige von existenzieller Bedeutung. Die Region identifiziert sich mit der Messe, welche in langer Tradition das wirtschaftliche und kulturelle Leben über die Stadtgrenzen hinaus geprägt hat. Die Messe gehört zu Basel wie die Fasnacht oder das Münster. Das Interesse der Bevölkerung an der Messe ist in den vergangenen Wochen umso grösser geworden, weil deren Existenz auf dem Spiel steht. Die Medien haben intensiv über diese Entwicklung berichtet – ebenso Telebasel. Ueli Vischer, der ehemalige Regierungsrat und amtierende Verwaltungsratspräsident der Messe ist zudem seit vielen Jahren eine Person der Zeitgeschichte. Es kann daher von einem erheblichen Vorwissen der Rezipienten zur Messe in Basel, deren Bedeutung, ihrer derzeit existenzbedrohlichen Lage, der Person von Ueli Vischer und den in der beanstandeten Sendung erörterten wirtschaftlichen und zum Teil auch politischen Fragen ausgegangen werden.
Es ist daher falsch, dem Gesprächsleiter der Sendung zu unterstellen, er habe einen aggressiven Monolog geführt und die Meinungen hätten nicht ausgetauscht werden können. Beide Seiten hatten gleich viel Redezeit. Ueli Vischer hatte mit anderen Worten ausreichend Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen, was er auch getan hat. Ebenso war Ueli Vischer in der Lage, sich über die Art und Weise der Befragung und somit das Format der Sendung zu beschweren. Ebenso war erkennbar, dass der Gesprächsleiter über sehr viel Hintergrundwissen verfügte, sehr gut vorbereitet war und dem Zuschauer die für ihn relevanten Fakten korrekt darlegte. Klammerbemerkung: Es wird denn auch nicht behauptet, Telebasel habe falsche Fakten vermittelt oder eine gewichtige Meinung verschwiegen. Im Gegenteil. Die Sendung war von sehr grosser Transparenz geprägt. Jede Tatsache, mit welcher der Gesprächsleiter Ueli Vischer konfrontiert hat, wurde mit Belegen untermauert und entspricht der Wahrheit. Es liegt in der Programmautonomie eines Senders, die Art und Weise der Aufbereitung einer kritischen Sendung zu gestalten.
Besonders hervorzuheben gilt es, dass Ueli Vischer im Vorfeld über die Themen ins Bild gesetzt worden war. Ebenso wusste er (Information über seinen Mediensprecher), wer den Talk moderieren wird. Er konnte somit davon ausgehen, dass er als Verwaltungsratspräsident zwei Tage vor der Generalversammlung in dieser für die Messe existenziell bedrohlichen Situation nicht konfrontiert werden würde. Als ehemaliger Regierungsrat und Person der Öffentlichkeit hätte man zudem von ihm erwarten können, einer Person wie dem Gesprächsführer gewachsen zu sein.
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Messeleitung bzw. ihrem Verwaltungsrat muss und darf einem Medium in einer Demokratie immer möglich sein und wird von der Medienfreiheit vor staatlichen Eingriffen geschützt. Für den Zuschauer war jederzeit erkennbar, bei welchen Voten es sich um Fakten und bei welchen Aussagen um Meinungen handelte. Die in der Sendung dargelegten Tatsachen und Ansichten konnte der Zuschauer nicht zuletzt auch aufgrund seines grossen Vorwissens einordnen. Er war somit in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Ob der eine oder andere Rezipient den Interviewstil als aggressiv bzw. stossend empfunden hat oder allenfalls journalistische Sorgfaltspflichten verletzt wurden, was in aller Deutlichkeit bestritten wird, spielt keine Rolle. Solche medienethischen Aspekte haben keinen kausalen Einfluss auf den Zuschauer gehabt, um sich eine eigene Meinung zu diesem Thema zu bilden. Es erstaunt daher nicht, dass der Beschwerdeführer in keiner Weise aufzeigt, wie sich die von ihm behauptete Verletzung der journalistischen Sorgfalt auf den Meinungsbildungsprozess ausgewirkt haben soll. Ihm hat offenbar schlicht und ergreifend der Stil der Gesprächsführung nicht gefallen, was jedoch kein tauglicher Beschwerdegrund darstellt. Der Ombudsmann ist nicht Hüter der journalistischen Ethik, sondern des Gesetzes.
Die konkrete redaktionelle Ausgestaltung eines Talks fällt immer in den Bereich der Pogrammautonomie, welche unantastbar ist. Der Sender ist dabei frei, auf welche Weise er die Zuschauer informieren möchte, solange diese sich eine eigene Meinung bilden können. Somit steht fest, dass im vorliegenden Fall das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt wurde bzw. die Sendung sogar in sehr hohem Mass zur Meinungsbildung beigetragen hat. Sehr viele Rezipienten haben Telebasel gratuliert, derart unverblümt die Fakten zu benennen und keine Angst vor dem wirtschaftlichen und politischen Establishment zu zeigen, sondern dessen Exponenten und ihr Schaffen kritisch zu hinterfragen. Die Beschwerde erweist sich daher als völlig unbegründet.“
Ergänzung zur vorliegenden Beanstandung 2:
„Die Ausführungen zum Sachgerechtigkeitsgebot sind falsch. Ich verweise auf meine bereits eingereichte Stellungnahme.
- Das Vielfaltsgebot kommt vorliegend nicht zur Anwendung.
- Ebenso wenig ist der Ombudsmann für behauptete Verletzungen der Konzession bzw. des Leistungsauftrags zuständig.
Ungeachtet dessen wird in aller Deutlichkeit bestritten, dass Telebasel irgendwelche Bestimmungen der Konzession verletzt haben soll. Im Gegenteil. Der beanstandete Beitrag war sehr meinungsbildend und hat im Übrigen auch sehr viele positive Rückmeldungen ausgelöst, zumal offenkundig ein heikles politisches und gesellschaftliches Wirtschaftsthema kontrovers diskutiert wurde. Die ist ein erheblicher Bestandteil des Leistungsauftrags.
Auch in Bezug auf die zweite Beschwerde gilt darüber hinaus, dass zwischen einer behaupteten Verletzung einer journalistischen Sorgfaltspflicht (welche bestritten wird) und der Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots eine kausale Verbindung bestehen muss – was vom Beanstander weder behauptet bzw. dargelegt wird noch der Fall ist. Auch die zweite Beanstandung stellt eine reine Stimmungsmache dar und wirft medienethische Fragen auf, was sicher aus publizistischer Sicht interessant ist. Aber keinen Bezug zum RTVG aufweist. Daher ist die Beanstandung abzuweisen.“
Einschätzung des Ombudsmanns
Die von Ihnen beanstandete Sendung wurde am 22. April 2020 auf Telebasel im Rahmen des Sendegefässes „Der Talk“ gesendet. Dieses Sendeformat wird von Telebasel wie folgt umschrieben: „Direkt zur Sache gehts im Talk: Politikerinnen, Wirtschaftskapitäne, Promis sitzen 9 Minuten lang auf dem heissesten Stuhl der Region. Angesagt ist das Schlagzeilen-Thema des Tages“ (https://telebasel.ch/telebasel-talk/?channel=15881). Ein kurzes Blick auf vergangene Sendungen zeigt auf, dass an diesem Talk normalerweise die Chefredaktoren oder andere Redaktorinnen oder Redaktoren von Telebasel als Gesprächsleiter teilnehmen. Vielleicht zum ersten Mal im Rahmen dieses Formats vor der Kamera stand der Geschäftsführer von Telebasel, Michael Bornhäusser. Normalerweise dauert die Sendung jeweils ca. neun bis zehn Minuten, die vorliegend von Ihnen beanstandete Sendung jedoch gleich das Doppelte. Thematisiert wurde im Talk die Krise der MCH Group, welche nach dem Abgang mehrerer grosser Uhrenmarken im Messe-Bereich vor grossen Problemen steht. Als Talkgast eingeladen wurde Ueli Vischer, Verwaltungsratspräsident der MCH Group. Die Sendung wurde zwei Tage vor der Durchführung der ordentlichen Generalversammlung der MCH Group ausgestrahlt.
Nach einer kurzen Einleitung werden in einem Einspieler Finanzzahlen der MCH Group sowie von Baselworld gezeigt und auch die verschiedenen Wechsel im Management erwähnt. Anschliessend wiederholt der Gastgeber wohl im Sinne einer Zusammenfassung die negativen Ereignisse rund um die MCH Group und stellt die Frage, was Herr Vischer den Aktionären erzählen werde, respektive wie es mit der MCH Group weitergehe. Herr Vischer erhält daraufhin ausreichend Gelegenheit, sich zu den gezeigten Zahlen zu äussern sowie die Strategie oder – wie er später ausführt – einen Teil der Strategie, darzulegen.
In der zweiten Frage des Gastgebers geht dieser während rund zweieinhalb Minuten auf die Entwicklung der Messen der MCH Group ein und zeigt auf, dass international die Entwicklung weg von Messen zu Konferenzen gehe und Content Creation schon seit vielen Jahren im Mittelpunkt stehe. Die Kongresse seien explodiert und in Basel sei null. Was das Problem sei, fragt er am Schluss der langen Ausführungen seinen Gast. Herr Vischer kann darauf antworten und einige Ausführungen zu den Entwicklungen der Messen der MCH Group darlegen. Er meint insbesondere, dass die Entwicklung nicht verschlafen, sondern gerade in einigen Messen mit der Digitalisierung und Communitybildung zukunftsgerichtet vorangegangen worden sei. Herr Bornhäusser geht auf diese Antwort gar nicht, fragt nicht nach weiteren Erläuterungen, sondern meint lediglich, dass die Messen tot seien und möchte eine Frage zur Strategie stellen. Dabei stellt er nicht eigentlich eine Frage nach der Strategie der MCH Group, sondern erläutert selber in einer Minute Redezeit wie eine Strategie aussehen müsste, respektive was er bei der Strategie der MCH Group nicht habe erblicken können. Herr Vischer geht auf die Kritik ein und erläutert, wie die Gesellschaft arbeitete und dass vor allem wegen der Corona-Krise keine Messen durchgeführt werden konnten, wie zum Beispiel dieses Jahr die Baselworld.
Ohne weiter auf die Antworten von Herrn Vischer einzugehen kritisiert der Gastgeber während rund 70 Sekunden den Verwaltungsrat der MCH Group und ist der Meinung, dass im Verwaltungsrat mehr Profis vertreten sein sollten. Danach stellt er dem Gast die Frage, ob er nicht gerne mal ab und zu jemanden haben möchte, der wirklich in diesem Geschäft Tag und Nacht unterwegs sei und international in ihrem Verwaltungsrat mithelfen könne. Der Befragte kritisiert daraufhin den Gesprächsstil des Gastgebers, da er fast die Hälfte der Redezeit benötigte und geht aber noch einmal zurück auf die Kritik, dass innerhalb der MCH Group fast alles falsch gemacht worden sei. Er zeichnet kurz die Entwicklung seit 2013 auf bezüglich Baselworld und meint schliesslich, dass sie es ja nicht hätten besser wissen können als die Branche, die selber diese Fehleinschätzung damals machte. Die Entwicklung sei nicht voraussehbar gewesen. Der Gastgeber verweist auf die Entwicklung der gesamten Gruppe, nicht nur von Baselworld und stellt die Frage, ob das Management respektive der Verwaltungsrat auf der internationalen Ebene mitspielen könne. Dabei erwähnt er insbesondere den Verwaltungsrat Stadlwieser und unterbricht den Gast bei seiner Antwort zur Frage mit einer Gegenfrage, ob Herr Stadlwieser überhaupt Französisch sprechen könne. Der Gast ist sichtlich über diese Frage irritiert und antwortet, dass diese Person nicht gut Französisch könne aber wegen dem nicht unfähig sei.
Danach bemerkt der Gast, dass der Gastgeber ja von ihm gar nichts wissen wolle, sondern primär nur darlege, was bei der MCH Group alles falsch gegangen sei und er ja gar keine Fragen beantworten könne. Der Gastgeber erklärt, dass er einfach von Mensch zu Mensch den VR-Präsidenten der MCH Group mit der internationalen Entwicklung der letzten zehn Jahre verglichen mit der Entwicklung bei der MCH Group konfrontieren möchte und bemerkt, dass da ja vieles falsch gelaufen sei. Der Gast akzeptiert die Kritik, möchte jedoch, dass ihm auch eine Frage gestellt werde und er sich äussern könne. Daraufhin stellt ihm den Gastgeber die Frage, was er denn jetzt mache. Herr Vischer nannte als Beispiel die Entwicklung bei Swissbau und auch, dass sich der Verwaltungsrat mit Messespezialisten austausche und wehrt sich dagegen, dass der gesamte Verwaltungsrat vom Gastgeber disqualifiziert werde. Der Gastgeber entgegnet daraufhin, er wolle nicht den ganzen Verwaltungsrat disqualifizieren, sondern er sei der Meinung, dass mit Blick auf die internationale Entwicklung mehr Profis im Verwaltungsrat vertreten sein sollten. Schliesslich fügt er an, dass er Professionalität im Verwaltungsrat verlange.
Das Gespräch wird nun vom Gastgeber mit einem Dank, dass sich Herr Vischer dieser Auseinandersetzung gestellt habe, beendet. Dieser antwortet, dass er sich nicht einer Auseinandersetzung habe stellen können, sondern der Gastgeber einfach geschwatzt habe, worauf dieser entgegnete, dass er dies eben gut könne. Herr Vischer äussert danach auch seinen Unmut, dass er nicht sagen konnte, was er wollte, sondern dass der Gastgeber einfach mit seinen langen Reden alles disqualifizierte, was die MCH Group mache. Zum Schluss des bereits einmal vom Gastgeber beendeten Gesprächs wiederholt der Gastgeber während fast eineinhalb Minuten seine Vorstellungen einer korrekten Strategie für die MCH Group. Mittendrin bemerke er, dass man über dieses Thema noch Stunden sprechen könnte, worauf der Gast antwortet „ja, sie zumindest“. Der Gastgeber meint dazu lediglich, dass er wahrscheinlich tiefer im Thema drin sei als der Gast selber. Der Gastgeber redet weiter und der Gast sieht sich gezwungen, den Monolog zu unterbrechen mit der Bemerkung, dass dies alles eine gute Show des Gastgebers gewesen sei und er weiter rede, obwohl das Gespräch ja bereits beendet worden sei. Zum Schluss bedankt sich der Gastgeber nochmals für die Anwesenheit des Gastes an diesem Gespräch und beendet es definitiv.
Die Sendung hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Auf der einen Seite ist mit Herrn Ueli Vischer eine bekannte und redegewandte Persönlichkeit zum Gespräch eingeladen worden, die sich durchaus wehren konnte und auch die Gelegenheit wahrnahm, den ihm und der MCH Group gemachten Vorwürfe zu entgegnen. Auf der anderen Seite wurde mit dem Gastgeber offenbar erstmals eine Person als Gesprächsleiter eingesetzt, die sich nicht durch interessante und kritische Fragen qualifizierte, sondern durch teilweise minutenlange Monologe, die Darstellung einer intransparenten Ansicht und eine chaotische Gesprächsführung disqualifizierte.
Betrachtet man die gegenseitige Redezeit, so fällt bei einer von mir mit Hand gestoppten Zeitmessung auf, dass beide Gesprächsteilnehmer etwa gleich viel Redezeit beanspruchen konnten. Das Problem dabei ist jedoch, dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer wohl nicht primär für die Monologe des Gastgebers interessierten, sondern für die Antworten des Gastes auf kritische Fragen des Interviewpartners. Immerhin konnte Herr Vischer während seiner Redezeit einen Teil der Strategie der MCH Group, ein paar Erklärungen zu den Finanzdaten der letzten Jahre wie auch zur Entwicklung des Messewesens (Baselworld und andere Messen) abgeben. Auch zur vielfach kritisierten Zusammensetzung des Verwaltungsrats konnte er sich äussern. Ein Publikum mit einem entsprechenden Vorwissen konnte dies durchaus erkennen und zumindest zu den von ihm gemachten Aussagen eine eigene Meinung bilden.
Es ist sicherlich legitim, dass der eingeladene Gast in einem „Talk“ mit Ansichten zur internationalen Entwicklung im Bereich des Messe- und Kongresswesens wie auch zur Strategie im Verwaltungsrat konfrontiert wird. Unklar und verwirrend war jedoch für die Zuschauerin und den Zuschauer, ob Herr Bornhäusser bei diesem Gespräch seine eigene Meinung vertrat, die von Investoren, Dritten oder diejenige von Telebasel. Immer wieder sprach er in der „Wir-Form“ („unserer Meinung nach“, „unserer Einschätzung nach“, „wir haben das Gefühl“, „wir haben das gesehen“, etc.) und unklar und verwirrend war ebenso, wieso und auf welcher Grundlage Herr Bornhäusser in einer Talksendung gegenüber seinem Gast Forderungen stellt („ich verlange Professionalität im Verwaltungsrat“). Dass die Sendung „von sehr grosser Transparenz geprägt“ war, wie der Rechtsvertreter von Telebasel in seiner Stellungnahme ausführt, kann mit Fug und Recht bestritten werden.
Der Gesprächsstil von Herrn Bornhäusser entsprach nicht minimalen journalistischen Anforderungen und führte sogar dazu, dass sich sein eingeladener Gesprächspartner selber dagegen wehren musste und Herrn Michael Bornhäusser auf seine Monologe und Darlegung seiner eigenen oder eben unklaren fremden Ansichten aufmerksam machen musste. Arrogant wirkte die Bemerkung des Gesprächsleiters gegen Schluss der Sendung, dass er ja tiefer in der Materie drin sei, als sein Gast.
Insgesamt komme ich zum Schluss, dass das Publikum die vom Gast der Sendung gemachten Aussagen zum Teil der Strategie der MCH Group, den Finanzdaten der letzten Jahre, zur Entwicklung des Messewesens (Baselworld und andere Messen) wie auch zur Zusammensetzung des Verwaltungsrats mit etwas Vorwissen – was vom lokalen Publikum erwartet werden kann – durchaus zur Kenntnis nehmen und einordnen konnte. Die Meinungsbildung insgesamt wurde aber durch die nicht transparenten Ausführungen des Gesprächsleiters wie auch seinen eigenwilligen Gesprächsstil, der im Rahmen des Sendegefässes „Talk“ von Telebasel von den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht erwartet werden konnte und demgemäss überraschend war, beeinträchtigt, wenn nicht gar verunmöglicht. Minimale journalistische Sorgfaltspflichten zur Gesprächsführung wie auch zum korrekten Umgang mit einem Interviewpartner wurden nicht eingehalten.
Ich empfehle der Redaktion von Telebasel, sollten wiederum Personen ausserhalb der Redaktion die Gesprächsführung der Sendung „Talk“ übernehmen, diese vorgängig in der Gesprächsführung und im korrekten Umgang mit Interviewpartnern zu schulen.
Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Oliver Sidler Ombudsmann