Beanstandung der Nachrichtensendung vom 26. August 2021 - Radio Zürisee

Schlussbericht des stellvertretenden Ombudsmanns

Sehr geehrter Herr X

Ihre Beanstandung in vorerwähnter Angelegenheit hat Ihnen Herr Dr. Sidler, Ombudsmann, per E-Mail vom 27. August 2021 bestätigt. Mit E-Mail vom 7. September 2021 habe ich die Chefredaktorin von Radio Zürisee um eine Stellungnahme ersucht. Diese ist bei mir eingetroffen.

Die von Ihnen beanstandete Sendung hatte den Fall eines «Maskenverweigerers», der die Migros ohne eine solche aufgesucht hatte, zum Gegenstand.

Sie machen in Ihrer Beanstandung zusammengefasst was folgt geltend (Hervorhebung durch mich):

  1. Das ganze Wording sei sehr abschätzend gegenüber dem "Verweigerer" gehalten und diffamierend formuliert. Es sei der Eindruck entstanden, dass das Radio die Zuhörerinnen und Zuhörer zu einer zusätzlichen Verurteilung eines uneinsichtigen Menschen animiere. Es könne nicht angehen, dass das Radio eine derart einseitige bzw. tendenziöse Berichterstattung vornehme. Sie hätten den Eindruck erhalten, Radio Zürisee wolle seine Hörerinnen und Hörer zu Aktivitäten gegen Personen verleiten, die keine Masken tragen. Das könne man als Aufforderung zu Attacken gegen Andersdenkende betrachten. Entgegen seiner Aufgabe habe es Radio Zürisee versäumt, eine neutrale Position einzunehmen.
  2. Besagter Bericht habe am Schluss eine nicht tolerierbare Falschmeldung verbreitet, indem der Radiosprecher gesagt habe, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass das Maskentragen den CO2-Gehalt in der Atemluft in keiner Weise beeinflussen würde. Das diffamierende Wording des Berichts hätte mit dieser Schlussbehauptung wohl zusätzlich wissenschaftlich untermauert werden sollen.

Zur Begründung, wonach das Tragen einer Maske sehr wohl diverse gesundheitsschädliche Effekte auslösen könne, zitieren Sie eine Studie und eine Webseite mit einer Auflistung von aktuell 46 Einzelstudien.

Sie stellen folgenden Antrag: Die von ihnen angeführten Publikationen würden die Aussage von Radio Zürisee, der vom «Verurteilten» vorgebrachte Grund seiner Maskenverweigerung sei eine wissenschaftlich erwiesene Fehlbehauptung, ausreichend widerlegen. Aus diesem Grund beantragen Sie, Radio Zürisee sei dazu zu veranlassen, eine Berichtigung der Fehlmeldung in einer medial mindestens gleichwertig verbreiteten Aussendung den Hörerinnen und Hörern zu vermitteln.

Stellungnahme von Radio Zürisee

Die Chefredaktorin von Radio Zürisee und dessen Programmleiter führen in ihrer Stellungnahme Folgendes aus:

«Wir wollten mit unserem Bericht niemanden verletzen, diffamieren oder verurteilen. Das ist uns sehr wichtig. Radio Zürisee ist kein Boulevardmedium. In unseren ethischen Grundsätzen und im Leitbild haben wir explizit festgehalten, dass wir fair, ausgewogen und frei von persönlichen Meinungen oder Vorverurteilungen berichten.

Unseres Erachtens ist die von Herrn Krummenacher beanstandete Berichterstattung weder einseitig noch falsch. Unser Reporter gibt die Fakten wieder, schildert den Fall sachbezogen und nennt als Quellen sowohl die Gerichte als auch den 'Boten der Urschweiz' als erstberichtendes Medium. In keinem Satz und auch nicht implizit werden Personen zu Attacken gegen Andersdenkende aufgefordert. Warum das Herr Krummenacher so interpretiert, können wir nicht nachvollziehen.

Zur angeblichen Falschmeldung am Schluss des Berichts: Es gibt zig Studien und Experten, welche die Aussage unseres Reporters belegen. Hier zBsp. ein Bericht inkl. mehrerer Quellen von SRF: https://www.srf.ch/wissen/corona/ungeliebter-coronaschutz-die-maske-laesst-sauerstoff-und-co2-problemlos-passieren. Dass unser Reporter die wissenschaftlichen Experten im Beitrag nicht explizit erwähnt hat, kann zugegeben als journalistisches Versäumnis gewertet werden - aber nicht als Falschmeldung.

Für uns war der Anlass, überhaupt über den Fall zu berichten, der, dass die Geschichte schon fast eine Posse ist. Also, dass jemand wegen der Masken-PFLICHT überhaupt vors Bundesgericht geht. Das streicht unser Reporter auch gleich zu Beginn hervor. Es ging definitiv nicht darum, über das Maskentragen an sich zu urteilen.

Aufgrund unserer Ausführungen sehen wir keinen Anlass für eine Berichtigung am Sender. Online haben wir als Entgegenkommen den Artikel entfernt. Wir nehmen die Beanstandung ernst. Die Pandemie und ihre Folgen für unser aller Leben sind ein Thema, das derzeit in der Gesellschaft mitunter sehr emotional diskutiert wird. Wir werden daher unser ganzes Team einmal mehr auf die Thematik sensibilisieren und darauf hinweisen, wie wichtig eine neutrale, faktenbezogene und sachliche Berichterstattung ist.»

Stellungnahme der Ombudsstelle

Die Ombudsstelle behandelt nach Art. 91 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) Beanstandungen gegen: a. ausgestrahlte redaktionelle Sendungen wegen Verletzung von Art. 4 und 5 des RTVG oder des für die schweizerischen Programmveranstalter verbindlichen internationalen Rechts; abis. veröffentlichte, von der Redaktion gestaltete Beiträge im übrigen publizistischen Angebot der SRG wegen Verletzung von Art. 5a RTVG; b. die Verweigerung des Zugangs zum Programm schweizerischer Veranstalter oder zum von der Redaktion gestalteten Teil des übrigen publizistischen Angebots der SRG.

Nach Art. 92 Abs. 1 RTVG kann jede Person bei der zuständigen Ombudsstelle eine Beanstandung einreichen: gegen redaktionelle Publikationen wegen einer Verletzung der Art. 4, 5 und 5a des RTVG (lit. a) und wegen Verweigerung des Zugangs (lit. b).

Beanstandungen müssen nach Art. 92 Abs. 2 RTVG innerhalb von 20 Tagen nach der Veröffentlichung der beanstandeten Publikation oder nach der Ablehnung des Begehrens um Zugang i.S.v. Art. 91 Abs. 3 lit. b RTVG eingereicht werden.

Da die formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf Ihre Beanstandung einzutreten.

Bevor ich auf Ihre Beanstandungen eingehe, scheint mir eine Vorbemerkung angebracht: Die Aufgabe der Ombudsstelle besteht einzig und allein darin zu überprüfen, ob in der beanstandeten Sendung die programmrechtlichen Bestimmungen, insbesondere von Art. 4 und 5 RTVG, verletzt wurden. Dabei hat sie der den Veranstaltern zustehenden Programmautonomie gebührend Rechnung zu tragen. Der Grund hierfür liegt darin, dass Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV; SR 101) und Art. 6 Abs. 2 RTVG die Programmautonomie des Veranstalters gewährleisten. Diese beinhaltet namentlich auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung und der inhaltlichen Bearbeitung.

Die Ombudsstelle hat weder eine Qualitätskontrolle vorzunehmen noch ist sie eine (erste) Gerichtsinstanz, die über Recht bzw. Unrecht urteilen muss. Sie hat somit nach Art. 93 Abs. 2 RTVG keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnisse, sondern lediglich zwischen den Parteien zu vermitteln und den Beteiligten schriftlich über die Ergebnisse ihrer Abklärungen und die Art der Erledigung der Beanstandung Bericht zu erstatten (Art. 93 Abs. 1 und 3 RTVG).

Für das Bundesgericht gibt es grundsätzlich kein Thema, das einer – allenfalls auch provokativen – Darstellung am Fernsehen oder am Radio entzogen wäre (Bundesgerichtsurteil vom 18. November 2011, 2C_710/2010, E. 3.2, in: BGE 137 I 345).

Nach Art. 4 Abs. 2 RTVG müssen redaktionelle Sendungen mit Informationsgehalt Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen, so dass sich das Publikum eine eigene Meinung bilden kann. Ansichten und Kommentare müssen als solche erkennbar sein. Ein Beitrag darf insgesamt nicht manipulativ wirken, was der Fall ist, wenn er den mündigen Zuschauer unsachgemäss informiert und sich dieser gestützt auf die gelieferten Informationen kein eigenes Bild mehr machen kann, „weil wesentliche Umstände verschwiegen oder ‚Geschichten‘ durch das Fernsehen ‚inszeniert‘ werden“ (Bundesgerichtsurteil vom 6. April 2011, 2C_664/2010, E. 2.1.2). Man spricht diesbezüglich vom sog. Sachgerechtigkeitsgebot (vgl. auch Bundesgerichtsurteil vom 18. November 2011, 2C_710/2010, E. 3.1 und 3.2, in: BGE 137 I 345).

Ein strenger Massstab ist insbesondere für Sendungen anzulegen, die schwerwiegende Vorwürfe erheben und so ein erhebliches materielles oder immaterielles Schadensrisiko für den Direktbetroffenen beinhalten. In diesem Fall tut eine sorgfältige Recherche, die sich auch auf Details der Anschuldigungen erstreckt, Not. In Fällen, die massive Anschuldigungen an Personen richten, ist es unabdingbar, den Standpunkt der angegriffenen Person in geeigneter Weise darzustellen.

Die Ombudsstelle prüft, ob dem Zuschauer aufgrund der in der Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt oder ein Thema vermittelt wird, so dass dieser sich darüber frei eine eigene Meinung bilden kann. Fehler in Nebenpunkten und redaktionelle Unvollkommenheiten, welche nicht geeignet sind, den Gesamteindruck der Ausstrahlung wesentlich zu beeinflussen, sind programmrechtlich irrelevant.

Ich habe mir die beanstandete Sendung angehört, besagte Stellungnahme von Radio Zürisee gelesen und mir die nachstehenden Gedanken gemacht. Betrachten Sie das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht im Sinne von Art. 93 RTVG.

Nach Art. 93 Abs. 1 RTVG prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Pro-grammveranstalter besprechen oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überwei¬sen (lit. a). Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen (lit. b), Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben (lit. c) oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren (lit. d).

Der Mitarbeiter von Radio Zürisee, Herr Y, hielt – nach einer kurzen, meines Erachtens unproblematischen Anmoderation seiner Kollegin – vorweg fest, dass «der Mann» wegen einer nicht getragenen Maske vor Bundesgericht stehe. In der Folge erläuterte Herr Y den Sachverhalt. Unter anderem legte er dar, weshalb der streitige Fall ans Bundesgericht gelangt sei: Der Maskenverweigerer habe Anzeige erstattet, unter anderem wegen Freiheitsberaubung, Diskriminierung und versuchter Körperverletzung. Der Maskenverweigerer habe in seiner Anzeige argumentiert, mit einer Maske würde er zu viel CO2 einschnaufen, was einer Körperverletzung gleichkomme. Nach Ansicht von Herrn Y stimme dies natürlich nicht. Auf die obgenannte Anzeige sei die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz gar nicht «eingegangen». Auf eine dagegen beim Schwyzer Kantonsgericht erhobene Beschwerde sei das Gericht nicht eingetreten. Gegen diesen Entscheid habe der «Covid-Gegner» Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Abschliessend hielt Herr Y fest, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass das Tragen einer Maske absolut ungefährlich sei und man nicht mehr CO2 einschnaufe, auch nicht mit einer dichteren FFP2-Maske.

Diese letzte von Herrn Y gemachte Aussage wird unter anderem von einer Untersuchung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA im Auftrag von «Puls» belegt (vgl. den Link in der Stellungnahme von Radio Zürisee vom 15. September 2021). Richtigerweise hätte Herr Y diese Quellen erwähnen müssen. Wie in besagter Stellungnahme von Radio Zürisee festgehalten wird, sei dieses Unterlassen als «journalistisches Versäumnis» zu werten, nicht aber als Falschmeldung. Ich teile diese Auffassung.

Herr Y hat es weiter unterlassen zu erwähnen, dass es auch Studien gibt, die die negativen Folgen des Maskentragens beschreiben. Das ist aus journalistischer Sicht zu bemängeln, ebenso wie die Bezeichnung der Person, die sich weigerte, eine Maske zu tragen, als «Covid-Gegner». Covid (Corona Virus Disease) bzw. den Coronavirus gibt es, weshalb es in semantischer Hinsicht zwar Gegner einer Maskentragpflicht, nicht aber von Covid gibt. Eine Verletzung des sogenannten Sachgerechtigkeitsgebots vermag ich in diesen journalistischen bzw. sprachlichen Unzulänglichkeiten aber (noch) nicht zu erkennen.

Im Übrigen ist die Wortwahl des streitigen Radioberichts weder abschätzend gegenüber jener Person, die sich weigerte, eine Maske zu tragen, noch diffamierend formuliert. Auch wurde die Person, die sich weigerte, eine Maske zu tragen, durch Radio Zürisee nicht verurteilt. Schliesslich kann ich auch nicht erkennen, dass der fragliche Radiobericht als Anstiftung zur Ausgrenzung «Andersdenkender» oder gar als Aufforderung zu Attacken gegen «Andersdenkende» zu qualifizieren ist. Sie als Beanstander sprechen selber davon, diesen Eindruck erhalten zu haben.

Fazit: Im Lichte des Gesagten vermag ich mit Bezug auf die beanstandete Sendung wohl journalistische Versäumnisse zu erkennen, nicht aber eine Unausgewogenheit oder eine Diffamierung, welch Letztere eine Unterstützung der Beanstandung zur Folge hätte. Einen Verstoss gegen Art. 4 oder 5 RTVG im beanstandeten Beitrag kann ich deshalb nicht erkennen. Auch sehe ich keinen Anlass für eine Berichtigung am Sender.

Im Übrigen unterstütze ich die Absicht von Radio Zürisee, das ganze Team einmal mehr für die Thematik zu sensibilisieren und darauf hinzuweisen, wie wichtig eine neutrale, faktenbezogene und sachliche Berichterstattung sei.

Rechtsbelehrung (Art. 94 und 95 RTVG)

Gegen die beanstandete Sendung kann innert 30 Tagen nach Eintreffen des Berichts der Ombudsstelle Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) erhoben werden.

Zur Beschwerde befugt ist, wer eine enge Beziehung zum Gegenstand der beanstandeten Sendung aufweist (Betroffenenbeschwerde). Eine entsprechende Betroffenheit liegt in der Regel vor, wenn jemand in der beanstandeten Sendung erwähnt oder wenn auf andere Weise auf ihn Bezug genommen wurde.

Ebenfalls zur Beschwerde befugt sind Personen, deren Eingabe von mindestens 20 Personen, die 18 Jahre oder älter sind und über das Schweizer Bürgerrecht oder eine Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung verfügen, unterstützt wird (Popularbeschwerde). Vorname, Name, Adresse, Geburtsdatum und Unterschrift dieser Personen müssen in der Beschwerde enthalten sein. Eine besondere Nähe zum Sendegegenstand ist hierbei nicht erforderlich.

Die Beschwerde ist schriftlich einzureichen. In der Beschwerde ist kurz zu begründen, in welcher Hinsicht die beanstandete Publikation Bestimmungen über den Inhalt verletzt. Der Ombudsbericht ist beizulegen. Postadresse: Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI, Christoffelgasse 5, 3003 Bern. Eine gewöhnliche E-Mail genügt nicht. Informationen zur elektronischen Einreichung von Beschwerden finden sich auf der Website der UBI (Elektronische Beschwerde - Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI admin.ch).

Das Beschwerdeverfahren vor der UBI ist grundsätzlich kostenlos.

Freundliche Grüsse

Dr. iur. Toni Hess Stellvertreter Ombudsmann

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