TVO - Aktuell

Beanstandung der Sendung „Aktuell“ vom 21. Dezember 2021 - TVO

Schlussbericht des Ombudsmanns

Sehr geehrter Herr X

Ihre Beanstandung vom 27. Dezember 2021 habe ich erhalten und gleichentags die Chefredaktion von TVO zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 10. Januar 2022 ist die Stellungnahme fristgerecht bei mir eingetroffen.

Ich habe mir den beanstandeten Beitrag eingehend und in voller Länge angesehen, die Stellungnahme des Veranstalters gelesen und mir meine Gedanken gemacht. Ich kann Ihnen daher meinen Schlussbericht zukommen lassen.

Nach Art. 93 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) prüft die Ombudsstelle die Angelegenheit und vermittelt zwischen den Beteiligten. Sie kann insbesondere die Angelegenheit mit dem Veranstalter besprechen, oder ihm in leichten Fällen zur direkten Erledigung überweisen. Sie kann auch für eine direkte Begegnung zwischen den Beteiligten sorgen, Empfehlungen an den Programmveranstalter abgeben oder die Beteiligten über die Zuständigkeiten, das massgebende Recht und den Rechtsweg orientieren. Nach Art. 93 Abs. 2 RTVG hat die Ombudsstelle keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis.

Beanstandung

„Ich bin (...) Der Meinung, dass das TVO in Nachrichtensendung vom 21.12.2021 das Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 4 Abs. 2 RTVG) sträflich verletzt hat.

In den Medien wurde im Herbst berichtet, dass Frau Bencic - im Hinblick auf Ihre Teilnahme am Australien Open - noch ungeimpft sei. Dem Zuschauer welcher die TVO - Sendung vom 21.12.2021 verfolgte ist dies sicherlich noch präsent gewesen. Ein Hinweis darauf, dass sich dieser Status in der Zwischenzeit bei Frau Bencic geändert hat wäre angebracht gewesen.

Der zweite Umstand wiegt aus meiner Sicht noch fast schwerer. TVO trägt in der betreffenden Sendung am 21.12.2021 vor, dass der Umstand, dass Frau Bencic nun Covid 19 hat, auf Ihrem Instagram-Account veröffentlicht wurde. Untenstehend ist das Original der Mitteilung aus dem Instagram-Account von Frau Bencic ersichtlich. Sie schreibt ausdrücklich, dass sie in der Zwischenzeit „fully vaccinated“ ist. Dass dieser Umstand nicht erwähnt wird von TVO - trotz dem Quellenhinweis - ist effektiv nicht sachgerecht, tendenziös und verhindert, dass der Zuseher objektiv, sachgerecht informiert wird.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich weder mit Frau Bencic verwandt oder bekannt bin. Auch bin ich kein Impfgegner, ich bin selbst bereits geboostert. Eine sachgerechte Information der Medien jedoch liegt mir sehr am Herzen.

Das sich die Redaktion am nachfolgenden Tag - obwohl ich mit dem Redaktionsleiter, Herrn Casaulta, telefonieren konnte - nicht zu einer Korrektur der Meldung bewegen liess lässt mir leider nur noch den Weg via Sie, Herr Dr. Sidler, als Ombudsstelle des TVOs, hier korrigierend einzuschreiten.“

Stellungnahme Veranstalter

„TVO wird vorgeworfen den Impfstatus von Belinda Bencic bewusst verschwiegen zu haben und somit das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt zu haben, ja gar tendenziös berichtet zu haben. Diese Vorwürfe weisen wir zurück.

Wir haben sachgerecht berichtet, dass sich Belinda Bencic angesteckt hat, von starken Symptomen berichtet, aber trotzdem an die Australien Open reisen will. So wie sie es auf Instagram schrieb. Wir haben die Quelle prominent ausgewiesen, so dass für die Zuschauenden nachvollziehbar war, woher wir die Informationen haben und wo es gegebenenfalls weitere Informationen gibt. Dass man in einer Kurznews nicht alle zur Verfügung stehenden Fakten berücksichtigen kann, liegt in der Natur der Sache.

TVO hat nie über den Impfstatus von Belinda Bencic berichtet. Es ist auch nicht so, dass der Impfstatus von Belinda Bencic ein grosses mediales Thema gewesen wäre, wie das aktuell bei Novak Djokovic der Fall ist. Belinda Bencic hat sich auch nie als Impfgegnerin oder -skeptikerin positioniert. Sie hat stets betont, dass für sie der richtige Moment für die Impfung entscheidend sei. Entsprechend sind wir der Meinung, dass wir mit dem Weglassen der Informationen, dass sie doppelt geimpft ist, nicht gegen das Sachgerechtigkeitsverbot verstossen haben.

Auch gegen den impliziten Vorwurf, TVO wolle unter den Tisch kehren, dass man sich auch mit Impfung anstecken kann, wehren wir uns vehement. TVO hat mehrfach darüber berichtet. Zum Beispiel hier: https://www.tvo-online.ch/news/kein-100-prozentiger-schutz-warum-man-sich-trotzdem-gegen-covid-19-impfen-sollte-143342841“.

Einschätzung des Ombudsmanns

Ihre Beanstandung betrifft die letzte Nachricht eines Kurznachrichtenblocks im Rahmen der Sendung „Aktuell“ vom 21. Dezember 2021. Berichtet wird über die Covid-Erkrankung der Ostschweizer Tennisspielerin Belinda Bencic, deren Krankheitssymptome und den Plan, an den Australian Open teilzunehmen. Als Quelle für diese Nachricht scheint einzig eine Instagram-Nachricht der Tennisspielerin herangezogen worden zu sein. Die Quelle wird zu Beginn der Nachricht entsprechend erwähnt.

Der Instagram-Post von Belinda Bencic lautet im Wortlaut wie folgt: „Hi everyone, I iust wanted to provide a quick update that unfortunately and even though I am fullv vaccinated, I recentlv tested positive for COVID-19. l am currentlv isolating and taking all precautionary measurements to get through this as best as possible as I am experiencing cuite severe svmptoms (fever, aches, chills). While the timing is not ideal - as I was in the final stages of my preparations for the Australian Open swing - I will make my way to Australia as soon as I am cleared and past the isolation period.“

Wie Sie in Ihrer Beanstandung korrekt erwähnen, weist die Tennisspielerin in ihrer Instagram-Nachricht - allerdings lediglich in einem Nebensatz - auf ihren Impfstatus hin. Die Hauptaussage von Frau Bencic besteht darin, dass sie zu einem nicht idealen Zeitpunkt während Vorbereitungen zu den Australian Open an Covid erkrankt sei und nach Isolierung und weiteren Vorsichtsmassnahmen nach Australien reisen werde. Diese Kernaussage wurde von TVO aufgenommen und in der Kurznachricht wiedergegeben. Die Redaktion ging aber noch weiter und erwähnte die von Frau Bencic aufgezählten Krankheitssymptome (Fieber, Schmerzen, Schüttelfrost). Wäre es angesichts dieser Zusatzinformationen nicht angebracht gewesen, auch den Impfstatus zu erwähnen? Meines Erachtens kann das Weglassen dieser Information zu falschen Schlüssen beim Publikum führen. Als Zuschauer oder Zuschauerin kann ich nicht verstehen, ob diese ziemlich heftigen Symptome bei der Tennisspielerin auftraten, weil sie nicht geimpft war oder obwohl sie geimpft war. Die Information wäre notwendig gewesen, damit sich die Zuschauerin und der Zuschauer ein eigenes Bild zu den aufgetretenen Krankheitssymptomen von Frau Bencic hätte machen können. Ich stimme Ihnen im Grundsatz somit zu, dass im Zusammenhang mit der Erwähnung der Krankheitssymptome auch über den Impfstatus hätte berichtet werden müssen.

Aus programmrechtlicher Sicht erachte ich dieses Weglassen der Information zum Impfstatus aber als Nebenpunkt, der nicht zu einer Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots führen kann. Die Kernaussage in der Nachrichtensendung war klar und das Publikum konnte sich dazu eine eigene Meinung bilden.

Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit der Beschwerde an die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI orientiert Sie das beigefügte Merkblatt.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Oliver Sidler Ombudsmann